Anlässlich des zweiten Russland-Afrika-Gipfeltreffens in Sankt Petersburg am heutigen Donnerstag äußert sich Carsten Bockemühl, Misereor-Experte für Afrikapolitik: „Von diesem Gipfel ist wenig Gutes zu erwarten. Russland wird sich bemühen, in Zeiten zunehmender Isolierung im globalen Norden sein Handels- und Investitionsvolumen sowie seine Sicherheitspartnerschaften in Afrika auszuweiten. Doch dieses Engagement ist seit Jahren höchst problematisch. Undurchsichtige Wirtschaftsinvestitionen (primär in Öl, Gas und Bodenschätze) führen vielfach zu Menschenrechtsverletzungen und ökologischem Schaden. Wagner-Söldner schüren vielerorts Instabilität und stützen autokratische Regime, wodurch kein Beitrag zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Menschen vor Ort geleistet wird, die dringend auf Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit angewiesen sind.
Misereor-Partner vor Ort berichten von einem Ansturm auf Rohstoffe sowie zunehmende Repressionen, oftmals abzielend auf die Einschüchterung lokaler Menschenrechtsverteidiger*innen und die Einschränkung zivilgesellschaftlicher Räume. Nach dem Vorbild Syriens unterstützt Russland schon seit einiger Zeit autokratische Machthaber und ermöglicht Verstöße gegen rechtsstaatliche Praktiken – mit gravierenden Folgen für die Gesellschaft.
Gleichzeitig führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der in so gut wie allen afrikanischen Ländern zu drastisch steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen führt, mit verheerenden Konsequenzen für vulnerable Bevölkerungsgruppen. Russlands kürzlicher Ausstieg aus dem Schwarzmeer-Getreideabkommen wird die Preise für Getreide in Afrika wahrscheinlich weiter in die Höhe treiben. Nun genau den Regierungen, deren Bevölkerungen wachsende Ernährungsunsicherheit erfahren, auf einem Gipfeltreffen Partnerschaft zu suggerieren, ist Zynismus pur. Auch wenn viele afrikanische Vertreter*innen sich noch gut an Zeiten erinnern, in denen Russland ihren Befreiungsbewegungen im Dekolonisierungsprozess gegen westliche Kolonialstaaten beistand, ist von diesem Russland-Afrika-Gipfel ein positiver Beitrag zur Souveränität afrikanischer Staaten nicht zu erwarten.
Nicht zuletzt steht zu befürchten, dass der russisch-afrikanische Gipfel die Förderung von Öl und Gas forciert. Dies würde die Nutzung fossiler Rohstoffe für viele weitere Jahre zementieren und die globalen Anstrengungen konterkarieren, Strukturen für eine fossilfreie Energieerzeugung auszubauen. Angesichts der jetzt schon für viele Menschen in Afrika verheerenden Klima- und Ernährungskrise wäre dies ein schwerwiegender Irrweg.
Dass die Einladung Putins trotzdem für afrikanische Regierungen attraktiv erscheint, unterstreicht einmal mehr, wie wichtig eine auf Partnerschaftlichkeit und Menschenrechte aufbauende gemeinsame EU-Afrikapolitik ist. Gerade die aktuelle besorgniserregende Lage im Niger macht erneut deutlich, wie wichtig eine europäisch abgestimmte menschenrechtsbasierte Wirtschafts-, Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung wäre, die die Perspektiven der Menschen vor Ort in den Blick nimmt und an der Seite der Armen und Marginalisierten steht. Mit entsprechenden Mitteln ausgestattet könnte so verhindert werden, weitere Länder in Moskaus Arme zu treiben. Die im aktuellen Haushaltsplan vorgesehenen Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit sind dabei sicherlich keine Hilfe.“