Immer mehr Menschen in Afrika leiden unter Hungersnot. Steigende Preise machen importierte Lebensmittel für die ärmere Bevölkerung uner-schwinglich. Ein erfolgreiches Projekt in Kenia ermutigt die Bevölkerung, traditionelle Gemüsesorten anzubauen und zu verzehren.
Jahrhundertelang haben sich die Völker Afrika trotz Dürren und Überschwemmungen selbst ernährt und mit einheimischen Gemüsearten, Kräutern, Gewürzen und Früchten vielfältige und gesunde kulinarische Kulturen entwickelt. Die Kolonialmächte brachten ihre europäische Lebensweise nach Afrika, die von den wohlhabenden und gebildeten Schichten über-nommen wurde. Traditionelles Essen wurde lange Zeit als ein Zeichen von Armut und Rückständigkeit angesehen. Mit der europäischen Ernährungsweise verbreiteten sich auch „Zivilisationskrankheiten“, wie Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs. Um den Vorurteilen traditionelle Nahrung entgegenzuwirken, entwickelten Forschungsinstitute, Community-Organisationen und Regierungsstellen in Kenia 1995 ein interessantes Projekt.
In einer ersten Phase wurden aus den 210 in Afrika verwendeten Gemüsesorten 24 Sorten auf ihre Akzeptanz, Marktfähigkeit und Auswirkungen auf die Gesundheit untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass viele traditionelle Pflanzen einen höheren Nahrungs-wert haben als die drei populärsten Gemüsesorten: Kohl, Kale (sukuma wiki genannt) and Mangold.
▪ Die Blätter der Spinnenpflanze liefern ein Vielfacheres an Vitamin A als Kohl. Amaranth enthält bis zu 12-mal so viel Eisen und Kalzium und fast doppelt so viele Ballaststoffe wie Kohl.
▪ Die Blätter von Maniok, einem wichtigen Gemüse in zentralafrikanischen Ländern, sind reich an Proteinen und Vitamin A.
▪ Das Fruchtfleisch des Affenbrotbaums kann bis zu zehnmal so viel Vitamin C liefern wie Orangen.
▪ Insekten, wie z. B. fliegende Termiten, und Vögel, wie Wachteln, sind eine wichtige Eiweißquelle, ebenso wie Pilze, von denen es Hunderte von essbaren Arten gibt.
Diese und viele andere Nutzpflanzen schützen vor einer einseitigen Ernährung, verhindern die weit verbreitete Unterernährung bei Kindern und beugen Krankheiten vor. In einer zweiten Phase wurde das Saatgut der verschiedenen Sorten gesammelt, verbessert und an Interessenten verteilt. Experten propagierten die Vorteile der alten Sorten, berieten die Landwirte beim Anbau, lieferten Kochrezepte für die Zubereitung und halfen den Bauern, ihre Produkte zu vermarkten. Langsam wendete sich das Blatt. Supermärkte begannen traditionelles Gemüse anzubieten. Die negative Einstellung veränderte sich zunehmend. Heute ist traditionelles Blattgemüse wie Mchicha, Managu und Saga in Restaurants, auf Straßenmärkten und im Haushalt alltäglich. Und ihr Verzehr ist nicht mehr mit einem Stigma behaftet. Die UNESCO wurde auf die erfolgreiche Kampagne in Kenia aufmerksam. Auf einer Konferenz 2021 wurde das Projekt vorgestellt und auf der Liste der Praktiken für den Schutz des kulturellen Erbes öffentlich zugängig gemacht. Die Information bietet anderen Ländern einen Anreiz, ähnliche Projekte zu starten.
Nahrung erzeugen, verarbeiten und genießen ist mehr als nur eine wirtschaftliche Aktivität. Es ist Ausdruck einer Kultur und einer Lebensweise. Mit einer gedankenlosen Übernahme der europäischen Esskultur geht etwas von der afrikanischen kulturellen Identität verloren. Ein Ziel des Projekts war es, durch die Wiederbelebung traditioneller Nahrung zum Erhalt des kulturellen Erbes beizutragen. Die Gefahren einer zu großen Abhängigkeit von importierten Lebensmitteln werden derzeit durch Folgen des Ukrainekrieges spürbar. Viele Länder importierten Weizen aus der Ukraine. Mit den rasant steigenden Weltmarktpreisen werden viele Nahrungsmittel für die ärmere Bevölkerung unerschwinglich. Eine stärkere lokale Produktion von traditionellen Sorten kann diese Abhängigkeit verringern. (Quelle NAD)