Am Tag der Deutschen Einheit feierte man in Reimlingen ein großes Klosterfest. Provinzial Pater Christoph Eisentraut CMM hielt folgende Predigt:
Willi Brandt hat einmal nach dem Mauerfall in Berlin gesagt: Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört. Und in der Tat war es so: weniger als ein Jahr später kam es zur Wiedervereinigung, heute vor 32 Jahren. Ich kann mich noch gut erinnern: genau eine Woche vor dem Mauerfall bin ich am 2. November 1989 nach meiner Aussendung am Weltmissionssonntag die Woche zuvor nach Simbabwe geflogen, um dort meinen Missionsdienst zu beginnen. Im Jahr darauf, zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung, war ich Kaplan in Empandeni. Damals waren wir auf dieser ältesten Missionsstation der katholischen Kirche in Simbabwe vier deutsche Mariannhiller: der Senior war Bruder Erasmus Schelle, Rektor war Pater Francis Gröger, beide sind schon verstorben. Dann war da noch Bruder Roland Altmannsberger, der nun seinen Ruhestand in Bulawayo verbringt und ich. Damals gab es noch kein Internet und dort an der Grenze zu Botswana gab es auch keinen Fernsehempfang. Wir saßen zusammen im Wohnzimmer um einen kleinen Sony Weltempfänger und verfolgten den Abend der Wiedervereinigung im Programm der Deutschen Welle. Um Mitternacht, für uns war es schon ein Uhr morgens, standen auch wir auf und sangen mit der Musik im Radio die Nationalhymne. Wir waren tief bewegt. Es war zusammengewachsen, was zusammengehört.
Heute an diesem Feiertag begehen wir Mariannhiller zusammen mit dem neuen Eigentümer dieses Klostergeländes, Herrn Maximilian Weik und seinen Firmen, und ebenso mit Vereinen und vielen Vertretern der Gemeinde Reimlingen ein Klosterfest. Und ich sage bewusst: wir feiern! Natürlich besteht da auch eine Trauer, dass nach 100 Jahren bald kein Kloster der Mariannhiller mehr in Reimlingen sein wird. Für 100 Jahre waren Mariannhiller überaus präsent in diesem Dorf: hier im Missionshaus, das im Laufe der Jahrzehnte eine große Zahl von Brüdermissionaren gut ausbildete und von hier aus nach Afrika oder Papua Neuguinea aussandte. Großes haben sie dort auf Missionsstationen, beim Bau von Schulen und Kliniken und in vielen anderen Bereichen geleistet. Ebenso erinnern wir uns an das Seminar neben dem Schloss, in dem eine große Zahl von Spätberufenen ihr Abitur nachmachen konnte, um dann die Priesterausbildung zu beginnen. Einer von ihnen war der nun seliggesprochene Pater Engelmar Unzeitig. Auch sein Name, seine Jahre als junger Erwachsener, bleiben für immer mit Reimlingen verbunden. Auch als Pfarrer in Reimlingen haben Mariannhiller Missionare gewirkt und Gemeinschaft mit den Menschen in diesem Ort aufgebaut. Es ist unsere Hoffnung, dass wir in der Zukunft wieder einmal seelsorgerisch in diesem Bereich tätig werden können, mit der Hilfe unserer afrikanischer Mitbrüder, die in Deutschland im Moment Theologie studieren. Noch braucht es etwas Geduld, aber der Tag wird kommen, wo wir diese Ernte einfahren dürfen.
Einweihung “Ambulante Pflegestation St. Josef” in Reimlingen:
Der Abschied vom Missionshaus wird in Schritten erfolgen, die sich über mehrere Jahre hinziehen. Einer dieser Schritte ist heute. Wir feiern, denn – um das Wort Willi Brandts aufzugreifen – mit dem Konzept, das nun langsam umgesetzt wird, bleibt zusammen was zusammengehört: die Gemeinde Reimlingen und die Mariannhiller Missionare. Es war genau das Konzept von Herrn Weik, wie es heute vorgestellt wird, das die Provinzleitung bewogen hat, mit ihm eine Vereinbarung zu treffen. Die Gebäude werden größtenteils im Bestand saniert und umgebaut. Viele Räumlichkeiten werden den Menschen in der Gemeinde zugutekommen, so der Hofladen und die ambulante Pflege, die beide heute offiziell eröffnet werden. Aber vor allem auch das neue Pflegeheim, das im Garten errichtet werden soll und dann nicht nur Mariannhillern, sondern auch Menschen aus Reimlingen und dem Umland ein Pflegeangebot machen wird. Und der Bereich, in dem wir uns gerade befinden, Kirche, Küche und Speisesaal: es ist der Wunsch von Mariannhillern, Herrn Weik und Bürgermeister Jürgen Leberle, dass hier auch Möglichkeiten für das Leben der Dorfgemeinschaft entstehen können. Ja, so bleibt zusammen, was zusammengehört: die Gemeinde Reimlingen mit ihren Bürgern und die Mariannhiller Missionare. Die gemeinsame Geschichte geht weiter!
Im Evangelium ist Jesus auf dem Weg nach Jerusalem. In einem Dorf in Samaria wird ihnen die Aufnahme verweigert. Zwei der Jünger fragten Jesus: sollen wir bitten, dass Feuer vom Himmel fällt und diese ungastlichen Menschen vernichtet? Jesus wies sie sogleich zurecht. Das war nicht sein Weg!
In der Apostelgeschichte lesen wir später im Zusammenhang der Verfolgung, die nach der Steinigung des Stephanus ausbrach: Viele hellenistische Christen mussten fliehen und landeten an allen möglichen Orten. Der Diakon Philip fand Zuflucht in Samaria. Anders als Jesus wurde er nun aufgenommen und konnte dort das Evangelium verkünden. Und seine Botschaft fiel auf guten Boden. Viele fanden zum Glauben und wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt. Dieses Feuer wollte Jesus senden: das Feuer seines Geistes, nicht das Feuer der Zerstörung.
Es waren Umstände außerhalb seiner eigenen Kontrolle, die Philip zur Flucht zwangen und nach Samaria führten. Aber er klagte nicht. Er nahm die Realität an, wie sie war und hat in ihr versucht, seine Berufung zu leben. So tat es auch ein P. Engelmar Unzeitig, der so gerne Missionar in Afrika geworden wäre und im KZ Dachau landete. Er nahm die Situation an und konnte dann auch im KZ als Priester und Missionar Großes wirken und zur Heiligkeit heranwachsen.
Auch wir Mariannhiller haben uns diese Situation nicht ausgesucht, in der wir uns nun, aufgrund der Nachwuchssituation wiederfinden. Es gilt die Realität anzunehmen, wie sie ist, und aus dem Glauben heraus zu versuchen, in dieser Realität unsere Berufung zu leben. So haben wir Entscheidungen bezüglich des Missionshauses getroffen, die Schmerzen bereiten. Aber sie öffnen gleichzeitig das Tor für neue Entwicklungen, wie die, die hier nun Schritt für Schritt umgesetzt werden. Und deshalb feiern wir: mit ein wenig Trauer, mit großer Dankbarkeit, aber auch mit viel Hoffnung. Und eine dieser Hoffnungen ist eben diese: dass hier in Reimlingen zusammenbleibt, was zusammengehört: die Gemeinschaft des Dorfes und die Gemeinschaft der Mariannhiller Missionare. Wir bitten Gott um seinen Segen für die Zukunft dieses Missionshauses!