Pater Damian Weber CMM legte vor 60 Jahren seine Profess als Missionar von Mariannhill ab. Im folgenden geben wir wieder, wie er in unsere Gemeinschaft hineinwuchs: “Es war sicher keine Stimme, ein Ahnen vielleicht, oder nur ein vages Gefühl, aber der kleine Geisshirt, der ich war, wurde «es» nicht los, von Zeit zu Zeit war er einfach da: der Gedanke, Priester zu werden. Flüchtig, wie er war, wurde er doch immer wieder genährt. Von Fräulein Hatz, zum Beispiel. Sie war schon über 80 und insistierte «Fräulein» genannt zu werden. Im Haus der Familie Bieler in Bonaduz, wo wir in Miete wohnten, war sie öfter zu Besuch. Wenn sie mich sah, erzählte sie immer von einem Bischof, der in seiner Jugend auch Ziegen gehütet habe. Dann war da auch der «Spiri». Johann Amstalden, der im Kreuzspital von Chur Spiritual und nebenbei auch Gehörlosenseelsorger war. Meine Eltern waren beide gehörlos und nahmen mich als Bub meistens mit an die verschiedenen Gottesdienste und Anlässe, die Spiritual Amstalden für sie organisierte. Mein Vater war gelernter Drechsler, musste aber wegen Atembeschwerden den Beruf aufgeben (damals gab es noch keine Gebläse für den Staub in den Werkstätten). Meine Mutter war gelernte Schneiderin. Geboren wurde ich 1942. Mein erstes Jahr als Ziegenhirt war der Somme 1951, in St. Peter, im Schanfigg. Dann folgten drei weitere Sommer auf der Hochwiese bei Flums. In diesen Jahren wurde der «Spiri» mein grosser Freund, zu dem ich aufschaute. Wann er meine «Berufung» gespürt hat, weiss ich nicht. Aber erst 1955 sprach er offen mit mir darüber. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch recht deutlich, dass ich Missionar werden wollte. Unser Pfarrer von Bonaduz empfahl mir Rheineck bei den Steylern, wo ich 1956 mit dem Vorkurs begann. Es wurde schnell klar, dass ich für die Kosten selbst aufkommen musste, und so wechselte ich nach einem Jahr (im Herbst 1957) zu den Mariannhiller Missionaren in Altdorf, wo die Studienzeit nur 7 anstatt 8 Jahre war, und die Kosten für ein Trimester auch noch billiger waren. Im Dezember 1958 starb mein Spiri im jungen Alter von 37 Jahren. Die folgenden Jahre waren nicht ganz einfach. Einerseits brauchte ich die ganzen Sommerferien, um genug zu verdienen für das nächste Studienjahr. Die ersten zwei Sommer verdiente ich das Schulgeld mit harter Arbeit auf grossen Bauernhöfen in der Westschweiz, auch wegen der französischen Sprache. Schon im Sommer 1960 hatte ich das Glück, beim Kanton Graubünden Arbeit zu finden. In den Grundbuchämtern wurde das System der «Folianten» abgelöst von Karteikarten auf der Basis von Fotokataster-Dokumentationen. Neben einem guten Taggeld bekamen wir auch eine grosszügige Spesenvergütung, die ich kaum brauchte. So verdiente ich mehr als ich für das Schulgeld brauchte, und konnte auch zuhause mithelfen. Aber es fehlte mir der weise Freund an meiner Seite. Denn immer drängender war da die grosse Frage, wie ich denn Missionar werden könne, wo doch meine Eltern, und vorallem meine Mutter, Hilfe brauchten… Rückblickend sieht man, wie sehr DER, dessen Ruf ich immer deutlicher spürte, die «Leitung» übernahm. 1961 im Verlauf der 5. Klasse, also vor Beginn der letzten zwei Jahre vor der Matura, überlegte ich mir ernsthaft einen Eintritt in das Diözesane Priesterseminar, um dann, sollte ich zum Priester geweiht werden, meine Mutter zu mir nehmen und so für sie sorgen zu können. Wie in den vergangenen Jahren arbeitete ich während der Sommerferien (1961) beim Kanton. In dieser Zeit erwähnte ich der Mutter gegenüber diese Gedanken, die ihr Freude bereiteten. Das erste Semester der sechsten Klasse begann Ende September 1961, und schon kurz darauf, am 3. Oktober, erhielt ich die Nachricht vom plötzlichen Tod meiner Mutter. Auch wenn es recht viel Zeit brauchte, um mit dem Schmerz über diesen grossen Verlust «fertigzuwerden», verband sich bald einmal mit der Trauer auch eine andere Erfahrung… ich war frei, ich konnte Missionar werden. Der Weg war jetzt offen.
Dieser Weg war jetzt der «Mariannhiller-Weg»: Nach der Matura in Altdorf nach Brig (VS) ins Noviziat und nach der ersten Profess (1964) nach Würzburg für die Theologie. Aus der Dankbarkeit für Gottes Führung wuchs immer mehr der Wunsch, Gott und Seiner Treue zu vertrauen. Das war allerdings mehr Wunsch als Wirklichkeit. Wenn ich heute (Anfangs September 2021, also nach mehr als 55 Jahren) ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich auch heute noch nicht so vertrauen kann, wie ich gerne möchte, aber ich weiss, dass ich IHM vertrauen kann, denn ER ist treu.
Ich würde es vielleicht so formulieren: «Erste Profess: Staunen über Gottes Ruf – JA zu Gottes Ruf – JA zu Gottes Treue – JA zu meiner Schwäche.
Heute, nach 56 Jahren: Noch grösseres Staunen über Gottes Ruf an mich – Dankbarkeit für Gottes Treue – Dankbarkeit für meine Schwäche – JA !
Nach meiner Priesterweihe, 1969 in Chur und der darauffolgenden Primiz in meinem Heimatdorf Bonaduz kamen zwei Jahre zusätzliches Studium in den USA, gefolgt von 14 Jahren Einsatz in Südafrika. Das «Feuer» der jungen Kirche des Südens brannte in meinem jungen Herzen als man mich 1984 bat, zurückzukommen in die alte Heimat, um hier die Glut unter der Asche der «alten» Kirche neu zu entfachen. Das war für mich eine lockende Aufgabe, die zur Herausforderung wuchs, als ich 1991 zum Landesdirektor von MISSIO (den Päpstlichen Missionswerken) der Schweiz ernannt wurde. Ich war jung und stark und vertraute vorallem auf meine Kraft. Ich fühlte mich von Gott gesandt und reich beschenkt von ihm… ich war sicher nicht undankbar, aber das Vertrauen in mich selbst und meine Fähigkeiten war meistens stärker als mein Vertrauen in Gottes sorgende Hand. Das begann sich zu ändern 2004 als ich zum Generalobern unserer Kongregation gewählt wurde. Mit jedem neuen Tag spürte ich mehr, dass der Psalmist recht hatte, wenn er sagt «Wenn Gott das Haus nicht baut, baut der Mensch umsonst» (Ps. 127).
Der Rest ist schnell erzählt. Nach zweimal 6 Jahren kam ich 2015 zurück in die Schweiz. Und jetzt, da ich, zusammen mit meinen Mitbrüdern, noch in der Seelsorge tätig sein darf, sind die Erfahrungen des grossen Missionars Paulus mehr als nur ein Trost, wenn er im 2. Brief an die Korinther (Kap.12) sagt: «Wenn ich schwach bin, bin ich stark»… Es ist tatsächlich, wie ich oben geschrieben habe:
Heute kann ich nicht genug staunen über Gottes Ruf an mich – Mein Herz ist voll Dankbarkeit für Gottes Treue – Dankbarkeit vorallem auch in meiner Schwäche, der Erfahrung meiner Grenzen. Alles in mir sagt JA!
Ich weiss es: ER, der mich gerufen hat und mein ganzes Leben treu begleitete, leitet und führt mich auch heute. Ihm darf ich vertrauen.” (Pater Damian Weber CMM)