„Kraft und Sanftheit“

„Kraft und Sanftheit“

Papst Franziskus und seine Predigt am Pfingstfest 2024:

Im Pfingstbericht (vgl. Apg 2,1-11) zeigt man uns zwei Wirkungsbereiche des Heiligen Geistes in der Kirche: in uns und in der Sendung. Dieses Wirken weist zwei Merkmale auf: Kraft und Sanftheit. Darüber wollen wir nachdenken.

Das Wirken des Geistes in uns ist kraftvoll, wie es die Zeichen des Windes und des Feuers versinnbildlichen, die in der Bibel oft mit Gottes Macht in Verbindung gebracht werden (vgl. Ex 19,16-19). Ohne diese Macht wären wir allein niemals in der Lage, das Böse zu besiegen… Mit dem Heiligen Geist kann man siegen, er gibt uns die Kraft… Er tritt in dieses Herz ein und heilt alles.

Und das zeigt uns auch Jesus, als er sich, vom Geist bewegt, für vierzig Tage in die Wüste zurückzieht (vgl. Mt 4,1-11), wo er versucht werden sollte. Und in dieser Zeit wächst er auch in seinem Menschsein, es wird gestärkt und für die Sendung vorbereitet.

Gleichzeitig ist das Wirken des Parakleten in uns auch sanft. Es ist kraftvoll und sanft. Der IWind und das Feuer zerstören weder das, was sie berühren, noch verbrennen sie es: Der Wind erfüllt das Haus, in dem sich die Jünger befinden, und das Feuer lässt sich behutsam, in Form von Feuerzungen, auf dem Haupt eines jeden nieder. Und auch diese Behutsamkeit ist ein Wesensmerkmal des Handelns Gottes, das wir in der Bibel oft finden.

Und es ist schön zu sehen, wie dieselbe kräftige und schwielige Hand, die zuerst die Schollen der Leidenschaften durchpflügt hat, dann behutsam die Setzlinge der Tugend pflanzt, sie „gießt“, „pflegt“ (vgl. Sequenz) und liebevoll beschützt, damit sie wachsen und stärker werden und wir nach der Mühsal des Kampfes gegen das Böse die Süße der Barmherzigkeit und der Gemeinschaft mit Gott verkosten können. So ist der Heilige Geist: stark, weil er uns die Kraft zum Sieg verleiht, und gleichzeitig sanft… So heißt es in einem schönen Gebet der frühen Kirche: »Deine Sanftmut, o Herr, bleibe bei mir, und ebenso die Früchte deiner Liebe« (Oden Salomos, 14,6).

Der Heilige Geist, der auf die Jünger herabgekommen ist und ihnen beisteht – „Paraklet“ –, wirkt, indem er ihre Herzen verwandelt und sie mit einer »Kühnheit [beseelt], die sie anleitet, anderen ihre Erfahrungen mit Jesus und die Hoffnung, die sie erfüllt, mitzuteilen« (JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 24). Das bezeugen später Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat, als man von ihnen verlangt, »[niemals] wieder im Namen Jesu zu verkünden und zu lehren« (Apg 4,18), und sie dann antworten: »Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben« (V. 20). Um diese Antwort zu geben, haben sie die Kraft des Heiligen Geistes.

Und das ist auch für uns wichtig, die wir in Taufe und Firmung den Geist empfangen haben. Vom „Abendmahlssaal“ dieser Basilika aus sind wir wie die Apostel ausgesandt, ganz besonders allen das Evangelium zu verkünden und dabei »immer weiter zu gehen, nicht nur im geographischen Sinne, sondern auch dazu, ethnische und religiöse Barrieren zugunsten einer wahrhaft universalen Mission zu überwinden« (Redemptoris missio, 25). Und dank des Heiligen Geistes können und müssen wir dies mit der gleichen Kraft und der gleichen Sanftheit tun.

Mit der gleichen Kraft: nicht mit Arroganz und Zwang …, auch nicht mit Berechnung und List, sondern mit der Energie, die aus der Treue zur Wahrheit kommt, die der Geist unsere Herzen lehrt und die er in uns wachsen lässt. Und so geben wir nicht auf, … sondern sprechen weiterhin vom Frieden zu denen, die den Krieg wollen; von Vergebung zu denen, die Rache säen; von Aufnahme und Solidarität zu denen, die die Türen verriegeln und Schranken errichten; vom Leben zu denen, die den Tod wählen; von Respekt zu denen, die es lieben, andere zu demütigen, zu beleidigen und auszuschließen; von Treue zu denen, die jede Bindung ablehnen, weil sie Freiheit mit einem oberflächlichen, stumpfen und hohlen Individualismus verwechseln. Ohne uns von Schwierigkeiten einschüchtern zu lassen, oder von Spott und Widerständen, an denen es gestern wie heute im apostolischen Leben nie mangelt (vgl. Apg 4,1-31).

Und auch wenn wir es mit dieser Kraft tun, soll unser Verkünden zugleich freundlich sein, um alle aufzunehmen – vergessen wir das nicht: alle, alle, alle! … Der Heilige Geist gibt uns die Kraft, um vorwärts zu gehen und alle zu rufen, mit dieser Freundlichkeit… Er gibt uns die Kraft, alle aufzunehmen…

Wir alle, Brüder und Schwestern, bedürfen so sehr der Hoffnung, … einer Perspektive des Friedens, der Geschwisterlichkeit, der Gerechtigkeit und der Solidarität. Dies ist der einzige Weg des Lebens, es gibt keinen anderen. Gewiss, leider scheint er oft nicht einfach, ja abschnittsweise ist er gar verschlungen und steil… Aber wir wissen, dass wir nicht allein sind, wir haben diese Gewissheit, dass wir ihn mit der Hilfe des Heiligen Geistes, mit seinen Gaben, gemeinsam gehen können und ihn auch für andere mehr und mehr gangbar machen können.

Erneuern wir, Brüder und Schwestern, unseren Glauben an die Gegenwart und Nähe des Trösters und beten wir weiterhin:

Komm, Schöpfergeist, erleuchte unseren Verstand,
erfülle unsere Herzen mit deiner Gnade, leite unsere Schritte,
schenke unserer Welt deinen Frieden.
Amen.