Während des Bürgerkrieges in den 80er Jahren wurden in Rhodesien/Simbabwe auch Mariannhiller Missionare ermordet: Bischof Adolf Schmitt CMM, Pater Possenti Anton Weggartner CMM, Bruder Peter Geyermann CMM, Bruder Andreas von Arx CMM, Pater Edmar Sommerreißer CMM, Bruder Matthias Sutterlüty CMM und Bruder Kilian Knörl CMM.
Bruder Andreas (Georg) von Arx (1933 - 1978)
Sein Geburtsort Winznau (Kanton Solothurn) ist ein kleines Dorf am linken Aare-Ufer, gar nicht weit entfernt vom Eisenbahnknotenpunkt Olten. Dort erblickte er am 8. April 1933 das Licht der Welt – als sechstes und letztes Kind der Eheleute Albert und Anna (geborene Burkart) von Arx. Er hatte vier Schwestern und einen Bruder und erlebte die Kinder- und Jugendjahre in relativ froher und friedlicher Umgebung. Trotz Krieg und allgemeiner politischer Verunsicherung. Er wurde auf den Namen Georg getauft. Andreas nahm er später an, als er bei den Mariannhiller Missionaren eintrat.
„Mit Begeisterung machte er in der ‚Jungwacht‘ und später in der ‚Jungmannschaft‘ (der katholischen Jugend, Anm. d. Verf.) mit“, berichtet seine Schwester Lucie Sager-von Arx aus Muolen/Schweiz. Auf dem elterlichen Bauernhof musste damals jeder mitanpacken, auch der kleine Georg. Es war – wie in ganz Europa – üblich, dass Kinder zu zahlreichen leichteren Arbeiten herangezogen wurden. „Georg war ein fröhlicher Bub“, schreibt seine Schwester; „einmal verlor er auf einer Wanderung ein Abzeichen. Der Herr Pfarrer, der hinter den Jungen herging, hob es auf und gab es ihm zurück. Darauf meinte der Viertklässler, schier benevolent, dem Geistlichen gegenüber: Der ist guet; euch cha me bruche! (Sie sind gut; Sie kann man brauchen!)“
Weil es damals noch keine Gummisohlen gegeben hat, mussten die Lederschuhe immer wieder zum Schuhmacher gebracht werden, damit er sie repariere oder flicke. Klein-Georg wurde öfters hingeschickt, um die fertigen Schuhe abzuholen. Dabei pflegte der Knirps von sich aus, ohne dazu den Auftrag erhalten zu haben, aus Mutters Portemonnaie ein paar Geldstücke zu entnehmen und sie dem Schuhmacher als Trinkgeld zu überreichen. Daraufhin belehrte ihn seine Mutter: Es sei nicht üblich, dem Schuhmacher ein Trinkgeld zu geben. Er solle es künftig lassen. Der Kleine antwortete trocken, ein wenig enttäuscht: Aber doch, ich gebe auch weiterhin ein Trinkgeld; denn das reut mich gar nicht! Und er gab es auch weiterhin.
Nach dem Besuch der Primarschule in Winznau ging Georg zwei Jahre in die Bezirksschule im Nachbardorf Trimbach. Dann absolvierte er die Fortbildungsschule im Internat zu Montet.
Mit 16 Jahren, 1949, trat Georg von Arx in Olten bei der Möbelfabrik Jäggi die Schreinerlehre an, die er drei Jahre später, 1952, mit der Gesellenprüfung erfolgreich abschloss. Anschließend arbeitete er noch drei Jahre in der Möbel-Werkstätte „Geiger & Hahn“ in Trimbach. Dann setzte er eine Zäsur, die seinem Leben eine totale Wende gab. Die Vorüberlegungen dazu hatten schon länger begonnen.
Bereits als Jugendlicher las er gerne Missionszeitschriften; die Erlebnisse der Missionare machten auf ihn schon immer einen tiefen Eindruck. Irgendwie spürte er das Verlangen, mehr zu tun, als „nur“ Geld zu verdienen. Dem Leben einen anderen, einen neuen Sinn zu geben.
Da hörte er 1954 in Winznau den Lichtbildervortrag eines Bethlehem-Missionars; der stellte das Schriftwort „Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige“ besonders deutlich heraus. „Seit jenem Abend“, schrieb Georg von Arx später, „habe ich das Verlangen, Missionsbruder zu werden. Es fällt mir schwer zu sagen warum; es ist einfach die Stimme meines Herzens, die mir sagt, das sei der Zweck meines Lebens.“
So kam es denn, dass er sich bei den Mariannhiller Missionaren im Missionshaus zu Brig/Wallis meldete, wo er schließlich am 5. Juli 1955 eintrat. Das pfarramtliche (Sitten-)Zeugnis vermerkt, er stamme aus einer „tief religiösen Bauernfamilie“ und sei „ein in allen Teilen vorbildlicher Jungmann“.
Schon als Kandidat lernte man ihn als tüchtigen und zuverlässigen Arbeiter schätzen. Nach einem halben Jahr erhielt er das Ordenskleid – und einen neuen Namen: Bruder Andreas.
An Dreikönig (6. Januar) 1958 beendete er das zweijährige Noviziat (damals waren für Brüderkandidaten noch zwei Jahre vorgeschrieben) und legte die Erste Ordensprofess ab. Jetzt schon meinten seine Mitbrüder, in ihm einen tüchtigen, frommen, wenn auch eher zurückhaltenden, aber im Religiösen sehr treuen und eifrigen Ordensmann gefunden zu haben. Er war von Anfang an bescheiden und anspruchslos, stets willig, für die Gemeinschaft einzuspringen und seine Talente und Fähigkeiten ganz in den Dienst der Missionsgesellschaft zu stellen.
Er blieb vorerst im Missionshaus zu Brig, arbeitete in der neu errichteten Schreinerei, halb aber auch in der Landwirtschaft mit, wenn Not am Mann war. 1961 zog er, vorübergehend, nach Fribourg, wo die Mariannhiller eine Niederlassung hatten, und besuchte von da aus die Schreinerfach-Schule im nahen Bern. Hier erhielt er 1963 das eidgenössische Meister-Diplom.
Dann kehrte er ins Wallis zurück und nahm in Brig wieder die Arbeit auf, jetzt aber immer drängender hoffend, bald in die Mission reisen zu dürfen. Doch da kam etwas Unvorhergesehenes dazwischen. Er wurde als Lehrer an die Gewerbeschule in Brig berufen und als Fachmann zu den Abschlussprüfungen der Walliser Gewerbeschulen. Seine Zuverlässigkeit und sein berufliches Können wurden allgemein anerkannt und geschätzt.
Zuvor schon, 1965, war er Gründungsmitglied der diplomierten Schreinermeister und Zimmerleute im Oberwallis. Ab 1967 gab er Meisterkurse an der Briger Berufsschule.
Sein Jugendwunsch geht in Erfüllung
1973 war es endlich soweit: es zeigte sich ein erster Hoffnungsschimmer für die Verwirklichung seines Herzenswunsches; er erhielt die Erlaubnis für einen zeitlich begrenzten Einsatz in der Südafrika-Mission der Mariannhiller. Umso größer war seine Enttäuschung, als ihm die Regierung in Pretoria das Einreise-Visum versagte. Das war kurz vor Weihnachten 1974. Doch Bruder Andreas ließ so schnell nicht locker. Er suchte nach einem Ausweg – und fand, wie er meinte, eine gute Möglichkeit, sich Land und Leute ein wenig näher anzuschauen: Er reiste als Tourist ans Kap der Guten Hoffnung, denn, so hatte man ihm gesagt, als Schweizer Bürger brauche er kein Visum für einen Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten.
Aber es kam anders, ganz anders! Auf dem Flughafen von Johannesburg wurde er stundenlang zurückgehalten – und bekam nach langem, bangem Warten die für ihn sehr schmerzhafte Aufforderung, das Land binnen 14 Tagen zu verlassen. Er konnte gerade noch Mariannhill besuchen, doch eine Darmgrippe vergällte ihm den Aufenthalt, der noch um eine Woche verlängert worden war.
So verließ er am 4. Juni 1975, enttäuscht und traurig, Südafrika Richtung Bulawayo in Rhodesien (heute Simbabwe), wo er zunächst auch nur eine vorläufige, auf drei Monate beschränkte Aufenthaltserlaubnis erhielt. Hier traf er auf weitere Mariannhiller Missionare aus der Schweiz, allen voran Bischof (später: Erzbischof) Dr. Heinrich Karlen aus Törbel im Wallis. Statt in der Transkei und im Bistum Mthatha künftig junge Afrikaner zu Schreinern auszubilden, versuchte er dies nun in Matabeleland – auf der Missionsstation Embakwe. (Er musste mehrmals um Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung einreichen – und die zeitlich unbefristete Versetzung von der Schweizer Mariannhiller Provinz in die von Bulawayo kam erst wenige Monate vor seinem gewaltsamen Tod: am 7. März 1978.)
Endlich am Ziel, mag er gedacht haben, als er auf der großen Missionsstation am Rande der Kalahari eintraf. Endlich – denn es war diesem seinem Ziel ein langes, schier zermürbendes Warten vorausgegangen.
Nun aber war er vor Ort; dort, wo es ihn seit Jahren hingezogen hatte: auf einer Missionsstation, weit weg von der nächsten größeren Stadt, und doch mitten unter Menschen, die ihn brauchten, die dankbar waren für seine Dienste. Schon bald versorgte er das „hausgemachte“ Stromnetz, den 49PS-Generator, der allerdings noch im Jahr seiner Ankunft fast überflüssig wurde, als Embakwe an das Überland-Stromnetz („Karibastrom“) angeschlossen wurde. Jetzt war es möglich, ganztägig Elektromotoren bzw. Maschinen laufen zu lassen, zum Beispiel in der modernen, von Misereor / Aachen eingerichteten Schreinerei.
Unsicherheit und Ungewissheit, was die Zukunft betrifft
Jetzt – nach dem Anschluss ans staatliche Netz, konnte er auch die Maschinen der Schreinerei immer dann nützen, wann immer sie gebraucht wurden – und eben nicht nur, wenn gerade der mit Öl betriebene Generator lief.
Bruder Andreas führte auch als Ordensmann ein vorbildliches Leben. Seine Tage verliefen in so ruhigen Abläufen, dass er, hätte er grundsätzlich und auch für die Zukunft darüber befinden dürfen, sich weiterhin alles Laute verwehrt hätte. Schon gar das Geknatter von Maschinengewehren. Aber das lag nicht in seinem Belieben. Er fügte sich voll und ganz in den Rhythmus der Station ein, kümmerte sich um die diversen Reparaturen und half aus, wo immer man sein handwerkliches Können benötigte. Seine Hilfsbereitschaft machte ihn allenthalben beliebt. Wie er die politische Lage damals einschätzte, geht aus seinen Briefen hervor. Es war die Zeit der Bürgerkriegsunruhen, der Raubüberfälle und des gegenseitigen Misstrauens zwischen weißer Oberschicht und einheimischer Mehrheit.
Mit dieser unsicheren, schier beängstigenden Situation musste er, der Neuling in Rhodesien, sich erst einmal innerlich auseinandersetzen. Als damals der Generalsuperior der Mariannhiller Missionare die Bulawayo-Provinz visitierte, bat er bei seiner Abschiedsfeier die einzelnen Mitbrüder, sie möchten Passbilder von sich machen lassen, denn die wolle er nach Rom mitnehmen. Bruder Andreas kommentierte in einem Brief, den er in die Schweiz schrieb, fast makaber, aber doch die Gesamtsituation richtig beurteilend; „zwecks Sterbebildchen“ brauche man wohl die Konterfeis der Missionare. Er fügte aber hinzu: „Ich hoffe jedoch, dass es nicht so bald gebraucht wird.“ Und in Klammern: „In den Himmel kommen wollen wir alle, aber sterben will niemand!“
„Trotzdem möchte ich bleiben“
Wenn auch aus verschiedenen Briefen keine direkte Angst spricht, zwischen den Zeilen spürt man doch, wie prekär die Lage war, und wie mutig sich jene Missionare verhalten haben, die – wie Bruder Andreas und Bruder Peter Geyermann – auf den Außenposten geblieben sind. Die seelische Belastung muss für sie zuweilen übergroß gewesen sein, wussten sie doch, dass die „Freischärler“ mittlerweile schier absolute Bosse in dieser Region waren; schwer bewaffnete, meist kommunistisch geschulte junge Männer, die auch vor den christlichen Missionaren keinen Halt machten. Einige von ihnen – wir haben es beim Überfall auf Bischof Schmitt, Pater Possenti und Schwester Francis gehört – schrien gar lauthals, alle Missionare seien „Feinde des Volkes“!
Ob der Mörder von Embakwe ähnlich dachte? – Wir wissen es nicht; werden es wohl nie erfahren. In Erinnerung bleiben zwei Mariannhiller, die allseits beliebt und geschätzt waren.
Vielleicht spüren auch die einheimischen Christen von Embakwe eines Tages, dass dieser sinnlose Mord am Rande der Kalahari letztendlich vielleicht doch nicht vergebens war. Und wäre es nur deswegen, weil spätere Generationen von afrikanischen Gläubigen ermuntert würden, auch ihrerseits treu zu ihrem Glauben zu stehen und, notfalls, bereit zu sein, dafür in den Tod zu gehen.
Es wurde nie geklärt, wer der Mörder war, oder welches Motiv ihn dazu geführt hat. Oder ob es mehrere Mörder waren. Sicher ist nur: Bruder Andreas von Arx wollte seinem Mitbruder Peter Edmund Geyermann zu Hilfe kommen, als er die ersten Schüsse auf der hinteren Veranda des Priesterhauses in Embakwe hörte. Dabei verlor auch er sein Leben …
Artikel über Bruder Andreas von Arx CMM aus dem Buch: “Keine Götter, die Brot essen” von Pater Adalbert Balling CMM:
Bruder Peter (Edmund) Geyermann (1941 - 1978)
Edmund Geyermann stammte aus dem kleinen Ort Wirfus bei Cochem an der Mosel. Dort erblickte er am 14. Juli 1941 das Licht der Welt. Seine handwerkliche Ausbildung erhielt er im Missionshaus der Mariannhiller in Reimlingen (Diözese Augsburg); dort war er am 5. März 1956 eingetreten und am 28. September 1958 eingekleidet worden. Die Erste Ordensprofess legte er am 29. September 1960, die Ewige am 29. September 1963 ab. In den Führungszeugnissen und Beurteilungen seiner Obern wurde er immer wieder als strebsamer, eifriger, kameradschaftlicher, frommer und sehr folgsamer Ordensmann bezeichnet. Er sei sehr gewissenhaft, mühe sich um echtes geistliches Leben und ordne sich bestens in die Gemeinschaft ein. Mehrmals wurde in diesem Zusammenhang auch sein „gutes, frommes Elternhaus“ erwähnt. In Reimlingen erlernte Bruder Peter das Schlosserhandwerk, war dann über Jahre hinweg im sogenannten „Bauteam“ der Mariannhiller tätig – und zwar vorwiegend in Neuss/Rhein und Maria Veen im Münsterland. Nach der Ewigen Profess äußerte er den Wunsch, die Meisterprüfung abzulegen, was ihm auch in Aussicht gestellt wurde, doch dringende Arbeiten des Bautrupps gingen vor; Bruder Peter wurde immer wieder als Schlosser und Elektriker angefordert. 1965 – und erneut 1966 – bat er, in die Afrika-Mission gehen zu dürfen. Seinem Wunsch wurde 1968 entsprochen, im Sommer 1969 wurde er in die Provinz Bulawayo (Rhodesien) versetzt. Die große Embakwe-Mission, am Rande der Kalahari-Halbwüste gelegen, wurde sein künftiges Arbeitsfeld.
Wie im Missionshaus zu Reimlingen bzw. während seines Einsatzes im Bauteam, so verhielt er sich auch jetzt: Er tat still seine Pflicht – treu und korrekt, ohne viel Aufhebens von sich und seiner Arbeit zu machen. In Embakwe übernahm er diverse Aufgaben. Ein Brudermissionar muss ja fast alles können. Eine seiner wichtigen Aufgaben war die Betreuung der großen künstlichen Bewässerungsanlagen. Vom Stausee am Tshankitsha-Fluss brachten offene Kanäle das wertvolle Nass auf ein Gebiet von ca. 100 Morgen. Hier wurden Erdnüsse, Bohnen, Mais und verschiedene Gemüse angebaut; ferner wurden mehrere hundert Obstbäume (Orangen, Zitronen) gehegt. Ohne zusätzliches Wasser wäre hier intensive Land- und Gartenwirtschaft nicht möglich gewesen. Die Region um Embakwe gilt als trocken, zu trocken, um regelmäßige Ernten zu gewährleisten. Die benachbarte Wüste – Embakwe liegt an der Grenze zu Botswana – hat hier bereits starken Einfluss. Nur Mais und Amabele, eine Art Hirse, gedeihen halbwegs, sofern die Regenzeit normal verläuft.
Bruder Peter galt in Embakwe als umsichtiger, ruhiger, freundlicher Mitbruder. Für die schwarzen Landarbeiter und handwerklichen Gehilfen war er ein echtes Vorbild. Nicht durch große Worte – die sparte er sich –, sondern durch sein Leben und sein Beispiel. Sein Programm, andere für die Frohbotschaft zu gewinnen, war das gelebte Christentum.
Jäh unterbrochen wurde dieses nach außen hin eher ruhige Leben am Herz-Jesu-Fest des Jahres 1978. Es fiel auf den 2. Juni. Die Priester, Brüder und Schwestern der Station hatten sich abends schon auf ihre Zimmer zurückgezogen. Die Kinder und Jugendlichen – es wurden damals circa 500 einheimische Kinder zwischen fünf und 20 Jahren in den Schulen und Internaten von Embakwe betreut – waren vorzeitig in die Ferien entlassen worden. Die politische Lage – es war zur Zeit des Bürgerkriegs in Rhodesien – hatte dazu veranlasst. Man wollte – der Kinder und Jugendlichen wegen – nichts riskieren; wollte auf Nummer sicher gehen. Pater Engelmar Dylong, Mariannhiller Missionar aus Schlesien, war damals Rektor der Station sowie Prinzipal der High School. Er arbeitete, wie jeden Abend, noch in seinem Büro. Die anderen Mariannhiller Missionare, unter ihnen Bruder Andreas Arx, Bruder Peter Geyermann und Pater Antoon Janssen, hatten sich auf ihre Zimmer begeben und gingen ihren eigenen Arbeiten nach, wahrscheinlich lesend oder meditierend. Eine gemeinsame Veranda verband ihre Räume untereinander im rückwärtigen Innenhof des Priesterhauses. Schier klösterliche Stille lag über der Missionsstation. Da durchschnitt ein Gewehrschuss die vermeintliche idyllische Ruhe. Was war passiert? Pater Dylong hat später versucht, den genauen Hergang der Ereignisse zu rekonstruieren. Sein Bericht ist die Grundlage für die folgenden Details: Schon seit Wochen waren sogenannte „Freischärler“ (man nannte sie damals auch „Terroristen“) durch das Land gezogen. Entlang der Grenze nach Botswana – Embakwe liegt nur wenige Kilometer entfernt – schien es besonders gefährlich zu sein. Wiederholt hatten Einheimische davon berichtet, dass sich bewaffnete Männer nach der Missionsstation erkundigt hätten; auch wollten sie wissen, ob die Schule noch offen sei. Als dies bejaht wurde, hätten sie gesagt: „Denen werden wir eine Lektion erteilen!“ Damals wirkten auf der Station (sie war 1904 von einem ehemaligen Zauberer im Auftrag der ersten Jesuitenmissionare gegründet worden!) 11 Notre-Dame-Schwestern, zwei Mariannhiller Brüder und zwei Patres.
Als immer deutlicher wurde, dass ein Überfall auf die Station nicht mehr ausgeschlossen werden könne, beschloss man, die Internatskinder vorzeitig in die Ferien zu entlassen; statt des anvisierten 5. bzw. 6. Juni 1978. So waren also an jenem verhängnisvollen Abend – wie erwähnt, am 2. Juni 1978 – außer den Missionaren und einigen Schwestern (mehrere waren, ähnlich wie die Laien-Lehrer, ebenfalls verreist) kaum jemand auf der Station.
So gegen 19.30 Uhr erwartete ein Terrorist Herrn Andrew Taylor, den farbigen Lastwagenfahrer der Mission, vor seinem Haus, als er vom Abendessen zurückkam. Er forderte Einlass und Geld. Taylor kramte in seinen Hosentaschen und tat so, als fände er seinen Hausschlüssel nicht. Da hieß ihn der mit einem Maschinengewehr Bewaffnete, hier zu bleiben und zu warten, bis er wieder komme. Er selber, der Terrorist, ging inzwischen zum Priesterhaus. Andrew Taylor, ein langjähriger und sehr loyaler Missionsarbeiter, schlich sich heimlich zum Konvent und Hospital und warnte die Schwestern. Von da lief er zum benachbarten Farmer, um die Polizei zu alarmieren. Doch ein Sicherheitszaun hinderte ihn daran. Inzwischen hatte der Terrorist das Priesterhaus von hinten betreten, wohl um ungesehen das Telefonkabel zu durchtrennen. Just zu diesem Zeitpunkt verließ Bruder Peter sein Zimmer, um seine übliche Runde zu den Wasserpumpen zu machen. Jetzt fiel der erste Schuss. Bruder Peter stürzte auf der Veranda vor seinem Zimmer zu Boden. Sein Nachbar, Bruder Andreas von Arx, ebenfalls seit Jahren in Embakwe tätig, hörte den Schuss, öffnete seine Zimmertür und wurde im selben Moment ebenfalls niedergeknallt. Als Pater Dylong wenige Sekunden später hinzukam, hatte der Terrorist bereits den Hinterhof verlassen, war ums Haus herum geschlichen und hatte sich beim Haupteingang unter Palmen versteckt. Er eröffnete abermals das Feuer, als Pater Dylong erschien. Der wurde leicht am Ohr verletzt, gab aber blitzschnell ein paar Warnschüsse aus seinem eigenen Gewehr ab. Daraufhin flüchtete der Mörder Hals über Kopf. Jetzt erst konnte die Polizei im benachbarten Plumtree informiert werden. Doch für die beiden Brüdermissionare kam jede Hilfe zu spät. Sie erlagen sofort ihren Schusswunden. Als die Sicherheitsbeamten gegen 21.30 Uhr in Embakwe eintrafen – es waren drei Armeewagen mit insgesamt 18 Soldaten – konnten sie nur noch Spuren sichern und den Missionaren nahelegen, die Station zu verlassen. Dies geschah ein paar Tage später. Embakwe – seit 1904 ununterbrochen Zentrum vielseitiger missionarischer Tätigkeiten – musste vorübergehend seinem Schicksal überlassen werden. Es wurde schier total ausgeplündert. Was nicht niet- und nagelfest war, wurde weggeschleppt. Nur die Kirche, 1964 von Bischof Adolph (Gregor) Schmitt feierlich eingeweiht, blieb unberührt. Nach der Rückkehr der Missionare – im Jahre 1980 – wurde den ermordeten Brüdermissionaren eine Gedenktafel errichtet. Zuvor schon hatte der schwarze Diözesanpriester Pius Ncube folgendes Gedicht verfasst: „Lebt wohl, die ihr durch brüderliche Tat so viel getan habt den Kindern Afrikas! Wir danken dem, der euch berufen – und jetzt heimgerufen hat in so jungen Jahren. Wir danken euren Eltern, die euch erzogen haben; wir danken euren Geschwistern, die mit euch spielten (…) Bruder Peter – immer ruhig, klug, arbeitsam, verstehend und froh – du fehlst uns sehr. Doch wir sehen uns wieder! Bruder Andreas, still, klein, bescheiden, aber mit Würde. Ein Beter und ein Gottesmann! Voller Liebe und Freundlichkeit! Wir bitten euch: Sprecht ihr für unser Land in schwerer Zeit. Erfleht uns Gnade und Barmherzigkeit.“
Artikel über Bruder Peter Geyermann CMM aus dem Buch: “Keine Götter, die Brot essen” von Pater Adalbert Balling CMM:
Pater Hubert Hofmans (1939 - 2001)
Der Schock sitzt tief. Die Menschen in der Stadt Lae trauern ebenso wie die Mariannhiller Missionare um Pater Hubert Hofmans, der so viel für sein geliebtes Papua Neuguinea getan hat.
Straßenräuber haben ihn kaltblütig ermordet. Zu den Umständen seines tragischen Todes sagte Pater Franz Lenssen, dass Pater Hubert nach dem gemeinsamen Mittagessen im Haus der Mariannhiller Missionare in Lae aufgebrochen sei, um Angestellte, die sich um die „City of Joy“ (auf Deutsch: Stadt der Freude), einem Jugendcamp hinter der Missionsstation St. Joseph, kümmern, zu fahren. Pater Hubert wollte ihnen ihren Wochenlohn bringen. Er trug das Geld, 45 Kina (umgerechnet: 14 Euro) in einem Briefumschlag bei sich.
Die Angestellten waren es auch, die das folgende Geschehen aus der Ferne beobachteten: Eine Bande von Straßenräubern stoppte das Fahrzeug und forderte Pater Hubert auf, das ganze Geld zu geben, das er bei sich habe. Pater Hubert versuchte den Gangstern klarzumachen, dass er kein Geld bei sich habe. Als sie ihn dann aus dem Auto rauszogen und durchsuchten, fanden sie nur die 45 Kina. Sie wollten aber mehr und als sie feststellten, dass er nicht mehr bei sich hatte, schossen sie ihm direkt in das linke Auge. Blutüberströmt ließen sie ihn auf der Straße liegen und flüchteten. Ein Wachmann, der gerade auf dem Weg nach Hause war, stoppte mit seinem Auto und versuchte, erste Hilfe zu leisten. Da Pater Hubert noch am Leben war, brachte er ihn auf dem schnellsten Wege zur Tusa Privatklinik. Hier erlag Pater Hubert wenig später seiner Schussverletzung.
1965 kam der gebürtige Niederländer nach Papua Neuguinea. Als Bruder trat er seine erste Stelle in der Missionsstation St. Joseph in Lae an. Auf der Station sollte ein technisches Schulungszentrum entstehen. Aber bevor er seine Stelle antrat, wollte er sich zuerst einmal mit der Sprache und den Gebräuchen des Landes vertraut machen. Dazu ging Bruder Hubert zunächst einmal nach Rabaul. Von dort zog er weiter nach Mount Hagen im Hochland von Papua Neuguinea und nach Bougainville, um beim Aufbau des Lehrerseminars „Holy Trinity“ (auf Deutsch: Heilige Dreifaltigkeit) sowie der Rigo High School zu helfen.
Als er nach seiner Rundreise nach Lae zurückkam, begann er mit seiner Arbeit im Technischen Schulungszentrum von St. Joseph. Im Jahre 1972 machten zwölf junge Männer ihren Abschluss und wollten als Handwerker in der freien Wirtschaft eine Anstellung finden. Bruder Hubert hatte jedoch den Wunsch, dass sie sich zusammentun und eine Organisation gründen, die sich zum Ziel setzt, den jungen Männern nach ihrem Abschluss bei der Suche nach Arbeit, oder ihnen als Starthilfe bei der Gründung einer eigenen Firma zu helfen. So bekamen die Gesellen des Technischen Schulungszentrums nicht nur die obligatorische Werkzeugkiste, sondern auch einen Anteilschein an der von Bruder Hubert im Aufbau befindenden Organisation. In den nächsten Jahren pflegte diese Organisation mit Kirchen, lokalen Hilfsorganisationen und dem Sozialamt gute Beziehungen. 1976 war es dann so weit, dass Bruder Hubert die Firma „J.O.B. Builders“ ins Leben rufen konnte. Hier fanden viele der Abschlussprüflinge eine erste feste Stelle. Die Arbeiter erklärten sich einverstanden, dass sie für fünf Tage in der Woche Lohn erhielten und das Geld, was sie am sechsten Tag verdienten, in die eigene Firma investierten. So kam es, dass die Firma schnell wuchs und im Jahr 1999 schon 60 Angestellte hatte. Mit den vielen Angestellten war man auch in der Lage, größere Bauprojekte, wie den Bau von Kirchen und Schulen, in Angriff zu nehmen. Neben der Errichtung von Gebäuden ist die Firma aber vor allem für ihre Holzarbeiten bekannt. Vor allem die Förderung der einheimischen Holzschnitzkunst war ein Herzensanliegen von Bruder Hubert. Er legte großen Wert darauf, dass sie mit der christlichen Gedankenwelt verknüpft war. So kann man in vielen Kirchen, darunter auch Anglikanischen und Evangelischen, manche Holzschnitzereien von J.O.B., wie Kruzifixe, Altäre, Kreuzwege und Tabernakel, bewundern. Auch für den weltlichen Markt produzieren die Angestellten Möbel. So mancher handgeschnitzte Stuhl aus Rosenholz oder Kaffee-Tisch aus Walnussholz zieren heute manches Wohnzimmer in Papua Neuguinea. Aber auch über die Landesgrenzen hinaus sind die Produkte begehrt. So füllte ein nach Deutschland heimkehrender evangelischer Pfarrer einen Container mit Möbeln aus der Werkstatt von J.O.B..
Aber nicht nur die Kunden und die Angestellten profitieren von der Firma, sondern auch der lokale Holzhandel freut sich über die rege Nachfrage. Viele Menschen aus den abgelegenen Dörfern nehmen lange Wege auf sich, weil sie wissen, dass sie für ihr Holz einen besseren Preis bekommen, als in so manchem Sägewerk.
1982 entschied sich Bruder Hubert, Priester zu werden. Nach abgeschlossenem Studium wurde er fünf Jahre später zum Priester geweiht. Seine erste Pfarrstelle trat er in der Pfarrei St. Steven und in der Pfarrei St. Joseph an.
Neben seiner Pfarrarbeit engagierte er sich nach wie vor als Manager in der J.O.B.-Firma und im Technischen Schulungszentrum von St. Joseph. Daneben war er Mitglied der Leitung des staatlichen Technischen Colleges in Lae, Vorsitzender des Zentrums für die Jugend in Lae sowie Mitglied des diözesanen Erziehungskomitees.
1994 gründete Pater Hubert die Jugendbewegung „Antioch“ in der Pfarrei St. Steven. Diese Bewegung breitete sich schnell in der ganzen Diözese Lae aus. Ihr Ziel ist es: die Jugendarbeit in den einzelnen Pfarreien zu fördern und Jugendliche, die der Kirche fernstehen, für die Sache Jesu zu begeistern. Schon nach sechs Jahren zählte die Bewegung über 1.500 Mitglieder.
Auch die „City of Joy“ wurde von Pater Hubert gegründet. Das Jugendcamp bietet den Jugendlichen einen Rückzugsraum, wo sie sich spirituell weiterbilden oder einfach nur ausspannen können. Das Camp stellt dazu den Jugendlichen eine Kirche, eine Versammlungshalle und Unterkünfte zur Verfügung.
Als eines der letzten großen Projekte hatte Pater Hubert sich daran gemacht, in einem Außenbezirk von Lae an der Markham Road eine neue Kirche zu bauen.
Über 35 Jahre engagierte sich Pater Hubert für die Menschen in Papua Neuguinea. Umso unfassbarer ist das, was mit ihm geschehen ist. Antoine Camilleri von der Apostolischen Nuntiatur für Papua Neuguinea und die Solomon Insel, sagte unter anderem bei der Beerdigung von Pater Hubert: „Als ich an diesem Morgen in der Stadt Lae ankam, wurde ich zu den Plätzen geführt, die eng mit dem Leben von Pater Hubert verknüpft sind: die Kirche der Pfarrei Christ the King, die er so schön erbaut und ausgeschmückt hat, die „City of Joy“, wo er Hunderte von Jugendlichen spirituell betreut hat, und die Stelle, an der er ermordet wurde. Ich war angetan von diesen Zeugnissen seines Arbeitseifers, von seinen Ideen bei der Gründung von Initiativen, von seiner Leidenschaft, mit der er das Wort Gottes verbreitete sowie von seinem sozialen Engagement für die Menschen, die er so sehr geliebt hat.“
Bruder Kilian (Valentin) Knörl (1930 - 1988)
Valentin Knörl erblickte am 19. Februar 1930 im oberfränkischen Heroldsberg das Licht der Welt. Seine Eltern, fromme und tüchtige Bauersleute, hatten vier Kinder; zwei von ihnen gingen ins Kloster – neben Valentin auch seine Schwester Ulrike Stilla, die sich den Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Neuenbeken anschloss und ihren Bruder um acht Jahre überlebte. Bruder Kilian ging mit 17 Jahren zu den Mariannhiller Missionaren nach Reimlingen (Diözese Augsburg), wo er am 27. Oktober 1947 eintrat. Die Einkleidung erfolgte – nach mehrmonatigem Postulat – am 3. April 1948, die Erste Ordensprofess am 1. Mai 1950, die Ewige Profess am 1. Mai 1953. Bei der Beurteilung seines Charakters – vor der Zulassung zu den Ordensgelübden – wurde er als „religiös, fromm, reinlich, freundlich, gesund, strebsam, verträglich, wissensdurstig, gewissenhaft, vorbildlich und cholerisch“ beschrieben. In allem ein „vorbildlicher Ordensmann“!
Im Missionshaus der Mariannhiller in Reimlingen war Bruder Kilian in der Land- und Viehwirtschaft tätig. Man hielt ihn allgemein für den künftigen Leiter der landwirtschaftlichen Betriebe, er aber äußerte immer wieder den Wunsch, in die Mission nach Afrika gehen zu dürfen. In seinem Lebenslauf hatte er seine Begründung bereits angegeben: „um den armen Heidenkindern den Glauben zu bringen“.
1960 ging sein langgehegter Wunsch in Erfüllung; er wurde in die Rhodesien-Mission (heute Simbabwe) entsandt. Zuerst wirkte er in Fatima-Mission, wo er sich vorwiegend der Missionsfarm annahm. Nach viereinhalb Jahren übernahm er die Farm in der Regina-Mundi-Mission, ebenfalls in der Diözese (heute Erzdiözese) Bulawayo gelegen. Die einheimische Bevölkerung bewunderte seinen Einsatz, seine Kenntnisse in der Viehzucht sowie sein nimmermüdes Engagement für die Sache der Mission und der Evangelisation. In den Gärten und auf den Feldern erwirtschaftete er eine Vielfalt von Gemüsen und Salaten – und so reichhaltig, dass er größere Mengen an die städtische Bevölkerung von Bulawayo verkaufen konnte.
1974 übernahm Bruder Kilian eine neue Aufgabe; er wurde ins „House of Formation“ nach Embakwe-Mission gerufen, wo er bei der Ausbildung junger einheimischer Brüderkandidaten mitarbeiten sollte. Doch schon ein Jahr später bat man ihn, die Missionsfarm im benachbarten Empandeni zu übernehmen. Hier blieb er bis zu seinem tragischen Tod. Empandeni-Mission ist ein Geschenk des Amandebele-Königs Lobengula an die Jesuiten-Missionare von Gubulawayo. Diese älteste katholische Station des Landes wurde ab 1930 von Mariannhillern betreut. Auf allen Stationen Matabelelands, wo Bruder Kilian tätig war, kümmerte er sich um das Vieh und die Äcker. Wie sehr er von seinen Mitbrüdern über sein berufliches Können hinaus geschätzt wurde, zeigt unter anderem auch die Tatsache, dass sie ihn viermal in den Provinzrat wählten – von 1973 bis 1985.
Bei der einheimischen Bevölkerung galt der Brudermissionar als hervorragender Farmer und „Viehdoktor“. Seinen einheimischen Mitarbeitern ging er mit gutem Beispiel voran; er verlangte nichts, was er nicht selbst zu tun bereit gewesen wäre. Mit viel Eifer und Hingabe versorgte er in Empandeni die große Internats-Schule mit den Erträgen aus der Farm. Zweimal wöchentlich fuhr er den schweren Lastwagen nach Plumtree, in die etwa 30 km entfernte Bezirksstadt, um Besorgungen und Einkäufe aller Art zu tätigen. Mitunter waren es bis zu 100 Aufträge, vorwiegend auch für die einheimische Bevölkerung von Empandeni. Diese Fahrten waren zur Zeit des Bürgerkriegs sehr gefährlich. Aber Bruder Kilian schreckte vor nichts zurück, wenn es darum ging, anderen zu helfen. Diese Haltung erwuchs ihm aus seinem tiefen Glauben. Täglich war er einer der ersten, der aufstand; er verrichtete sehr gewissenhaft seine Gebete, meditierte und nahm an der Eucharistie teil. Beten und Arbeiten gingen bei ihm Hand in Hand.
Dann kam der 19. April 1988: Tag der Unabhängigkeit! Staatspräsident Robert Mugabe hatte eine General-Amnestie für alle Dissidenten verkündet, sofern sie bereit wären, ihre Überfälle auf die Zivilbevölkerung einzustellen und ihre Waffen niederzulegen. Es schien, als ob damit endlich wieder Ruhe und Frieden einzögen in das arg gebeutelte Land am Sambesi. Doch für Empandeni kam alles ganz anders! Abends um 19.30 Uhr Ortszeit erschienen vier mit Maschinengewehren bewaffnete einheimische Männer auf dem Missionsgelände und nötigten Mr. Wami, einen Lehrer, sowie mehrere Frauen und Kinder, ihnen zum Haus der Missionare zu folgen bzw. ihnen zu zeigen, wo diese wohnten. Mr. Wami musste die Hausglocke läuten. Als Pater Johannes Banning CMM öffnete, wurde er sofort von einem der Täter angeschrien: „Wo sind die anderen Missionare? Schaff sie alle herbei!“ Pater Luke Mlilo, der erste dunkelhäutige Mariannhiller aus Simbabwe, wurde gezwungen, den Bewaffneten alle Räume des Hauses zu zeigen. Zwei der Dissidenten plünderten und raubten, was ihnen wertvoll erschien, vor allem Uhren, Radios, Geld und Kleider. Dann wurden alle Missionare – unter ihnen auch der greise Bruder Erasmus Schelle und Bruder Kilian – ins Büro des Stationsrektors befohlen, wo Pater Mlilo sie fesseln musste. Er tat dies mittels Hosenträgern und Gürteln und er tat es bewusst sehr lässig; das Gürtelende drückte er unbemerkt den Gefesselten in die Hand. Dann wies man Pater Mlilo an, seine Mitbrüder eigenhändig zu enthaupten. Eine schwere Axt wurde ihm dazu in die Hand gedrückt. Er selber wäre dann wohl anschließend von den Tätern umgebracht worden.
Weil Pater Mlilo sich weigerte und es ihm wenige Sekunden später in einem unbemerkten Augenblick gelang, in die stockfinstere Nacht zu entkommen, griff einer der Dissidenten selbst zur Axt. Mit dem stumpfen Teil schlug er zweimal auf Pater Banning ein; der brach bewusstlos zusammen. Bruder Kilian hatte sich zwischenzeitlich von seinen Fesseln lösen können. Er sprang auf, entriss dem Täter die Axt und hinderte ihn so an weiteren Hieben. In diesem Moment feuerte ein zweiter Dissident zwei Schüsse ab; einer traf Bruder Kilian mitten ins Herz. Er starb auf der Stelle. Pater Mlilo, der in die Nacht entkommen war, hatte unterdessen weitere Bewohner Empandenis vor den Dissidenten gewarnt und war mit ihnen in einen alten Hühnerstall geflüchtet. So überlebten sie das Massaker. Nachdem die beiden Schüsse abgegeben worden waren, nach dem tödlichen Zusammenbruch von Bruder Kilian, änderte sich die Lage. Die vier Bewaffneten verließen fluchtartig die Station; zuvor hatten sie jedoch die Fahrzeuge der Mission in Brand gesetzt. Nur eines behielten sie für ihre Flucht zurück. Einer der Missionslehrer, ein Inder, musste sie chauffieren, etwa 20 km Richtung Brunapeg, ehe sie den Fahrer entließen und auch dieses Auto in Brand setzten. Der einzige, der mit dem Schrecken davongekommen war, Bruder Erasmus Schelle, informierte jetzt zusammen mit Herrn Wami die Ordensschwestern im benachbarten Konvent. Diese telefonierten sofort zur Polizei nach Plumtree und erwähnten die beiden Ermordeten – Bruder Kilian und Pater Banning. Doch just in diesem Augenblick erschien der vermeintlich tote Missionar, blutüberströmt und kaum des Sprechens fähig, am Konvent: Pater Banning war zu sich gekommen, aber sehr schwer verletzt! Ein erneuter Anruf bei der Polizei bewirkte, dass auch ein Notarzt sich auf den Weg nach Empandeni machte. Noch in der Nacht wurde Pater Banning nach Bulawayo in ein dortiges Krankenhaus gebracht. Für Bruder Kilian war indes jede Hilfe zu spät. Er war das Opfer eines brutalen Mordanschlags geworden. Durch sein mutiges Eingreifen hatte er den anderen Mitbrüdern das Leben gerettet. Er war für seine Brüder gestorben.
Jesuitenpater Oskar Wermter, der Sprecher der Katholischen Bischofskonferenz von Simbabwe, sagte wenige Tage nach dem Mord an Bruder Kilian: „Es ist tragisch und himmelschreiend, dass dieser brutale Mord genau an dem Tag passierte, als Präsident Mugabe die Amnestie für alle Dissidenten erlassen hatte, sofern sie sich ergäben – der Einheit und des Friedens willen. Die scheußlichen Vorfälle von Empandeni werden aber unsere Haltung nicht ändern.“ Die Missionare standen von jeher auf der Seite derer, die sich um Frieden und Versöhnung mühten. Sie würden weiterhin so handeln, meinte Pater Wermter. Die Ermordung Bruder Kilians, so schändlich sie auch sei, würde sie nicht hindern, die Froh- und Friedensbotschaft auch in Zukunft zu künden.
Am 26. April 1988 hatten sich fast 1.000 Gläubige in der St. Mary’s Kathedrale von Bulawayo eingefunden, um von dem ermordeten Mariannhiller Bruder Abschied zu nehmen. In der Einführung zitierte Erzbischof Heinrich Karlen CMM Texte aus der Karfreitagsliturgie: „Mein Volk, mein Volk, was habe ich dir getan? – Antworte mir!“ Generalvikar Pius Ncube nannte Bruder Kilian einen aufrechten, furchtlosen Ordensmann und unermüdlichen Arbeiter, dem keine Mühe zu viel war, wenn es darum ging, anderen zu helfen. 28 Jahre lang hatte er im Dienst der Rhodesien-Simbabwe-Mission gestanden. Unter den Trauergästen befanden sich neben den Gouverneuren Mudenda und Dube auch Hans Werner Bussmann von der Deutschen Botschaft sowie Prälat Lorenzo Baldisseri von der Päpstlichen Nuntiatur in Harare.
Etwa vier Wochen nach jenem tragischen Überfall in Empandeni berichteten die Zeitungen von Simbabwe, dass ein gewisser Gayigusu (sein wirklicher Name wurde später mit Morgan Sango angegeben) sich gemeldet habe – zusammen mit 10 Männern seiner Untergrundbande. Als sein Foto in der Presse erschien, erkannten ihn die überlebenden Missionare sofort als den Bandenchef, dem sie und Bruder Kilian ausgeliefert waren. Wie sich herausstellte – zum Teil von ihm selber bezeugt – hatten Gayigusu und seine Männer auch andere Raubüberfälle auf dem Gewissen. In der Presse wurde von insgesamt 72 Morden gesprochen.
Damals wurde Simbabwe von zahlreichen terrorisierenden bewaffneten Banden heimgesucht, vor allem in Matabeleland. Sie sengten, vergewaltigten, raubten und mordeten. Viele unschuldige Einheimische mussten auf diese Weise ihr Leben lassen. Unter den Weißen waren es vor allem Farmer, die weit draußen im Hinterland lebten. Man darf annehmen, dass der Raubüberfall in Empandeni und die Ermordung von Bruder Kilian weniger ein Racheakt einheimischer Täter gegen weiße Missionare war, sondern eher die Tat „freischaffender Banditen“, die sich ihre Opfer am liebsten dort suchten, wo sie am wenigsten Widerstand erwarteten, also auch bei den oft sehr einsam wohnenden, unbewaffneten Missionaren.
Artikel über Bruder Kilian Knoerl CMM aus dem Buch: “Keine Götter, die Brot essen” von Pater Adalbert Balling CMM:
Pater Ernst Plöchl (1931 - 2009 )
Er wurde am 2. Januar 1931 in Neumarkt im Mühlviertel, OÖ. geboren, wo er seine Jugend am heimatlichen Bauernhof verbrachte und auch die Volksschule besuchte. Sein Wunsch war, Priester zu werden und so besuchte er das Petrinum in Linz und begann anschließend sein Studium der Philosophie und Theologie im Linzer Priesterseminar. 1954 trat er bei den Mariannhillern in Riedegg ein, und machte dort sein Noviziat und seine Erste Ordensprofess. Sein restliches Theologiestudium absolvierte er in Würzburg. 1958 wurde er im Linzer Mariendom zum Priester geweiht und feierte seine Primiz in seiner Heimatpfarre Neumarkt. Nach einem Pastoraljahr in Augsburg wurde er Präfekt im Internat St. Berthold in Wels bis 1967. Dann wurde sein großer Wunsch erfüllt, in die Mission nach Südafrika zu gehen. Im Mai 1968 reiste er per Schiff nach Mariannhill, in der Nähe von Durban, wo unser Mutterkloster ist. Von dort ging es weiter auf die Missionsstation Mariazell, in den Drakensbergen, wo ihm die Aufgabe des Präfekten im Gymnasium mit Internat mit über 400 Studenten übertragen wurde. 1970 bis 1980 übernahm er dann die große Pfarre Mariazell mit vier Außenstationen. 1980 – 1981 wurde er mit der Pfarre Cwele bei den Xhosas betraut. 1981 kam er wieder zurück ins Oberland, zu den Basutos, und übernahm die Pfarre Maria Linden. Seit 1987 war Pater Ernst dann wieder in Mariazell, als Leiter für die Schule, das Internat und die Missionsstation bis zum Pfingstsonntag, 30. Juni 2009, als er in seinem Haus einem Raubüberfall zum Opfer fiel. In den vielen Jahren seiner Missionsarbeit hat Pater Ernst unzählige Kranke besucht, viele Sterbende begleitet, selber musste er gefesselt und einsam sein Leben hingeben. Pater Ernst hatte immer guten Kontakt zu seiner Familie, er kam regelmäßig in Heimaturlaub. Zum letzten Mal 1998. Seitdem konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fliegen, aber seine Verwandten haben ihn in Mariazell besucht und wollten ihn auch 2009 im September wieder besuchen. Wir beten zum Herrn, er möge Pater Ernst reichlich lohnen für seinen treuen und unermüdlichen Dienst, besonders in der Mission, und ihm Frieden und die ewige Ruhe schenken.
Bischof Adolf Schmitt (1905 - 1976 )
Am 20. April 1905 wurde Gregor Schmitt im unterfränkischen Marktflecken Rimpar als erstes von sechs Kindern geboren. Sein Vater Balthasar, Maurer von Beruf, kehrte aus dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zurück. Die Mutter Sabine, geb. Heller (18.6.1877 bis 9.7.1963), heiratete wieder, ebenfalls einen Maurer. Rimpar war ein Arbeiterdorf; die Mehrzahl der Einwohner sympathisierte mit den Sozialdemokraten und Kommunisten. Dass der junge Gregor die höhere Schule besuchen durfte, war damals und in dieser Umgebung eher außergewöhnlich. Der Ortsgeistliche war es wohl, der die Eltern darauf aufmerksam gemacht hatte, den Jungen aufs Gymnasium zu schicken. Die Anmeldung erfolgte im Kilianeum zu Würzburg, dem bischöflichen Kleinen Seminar. Hier winkte man ab. Jetzt probierte es der Ortspfarrer bei den Mariannhiller Missionaren in Lohr (Spessart), die dort ein Internat führten. Nach dem Abitur 1926 folgten das Noviziat, die Ordensprofess am 1. Mai 1927, das Hochschulstudium und die Priesterweihe am 19. März 1931. Bald danach fuhr der junge Mariannhiller in die Rhodesien-Mission. In Bulawayo, damals noch ein kleines verstaubtes Buschstädtchen, wurde Pater Adolph Seelsorger für die mehrheitlich irischen und englischen Katholiken. 1936 riefen ihn die Ordensoberen nach Europa zurück. Im Klerikat zu Würzburg und im Aloysianum zu Lohr warteten neue Aufgaben auf den frischgebackenen Afrikamissionar. Und die ersten Scherereien mit dem Dritten Reich!
Es war im Sommer 1937. Goebbels hatte gerade seine berüchtigte Schmährede gegen den katholischen Klerus über den Rundfunk verbreitet. Noch hallten die Lande von antiklerikaler Wut wider. Da war Pater Adolph unterwegs nach Leitmeritz – zur Weihe des ersten Bischofs von Bulawayo. Er hatte ein außergewöhnliches Reisegepäck bei sich: einen Bischofsstab. Den sollte der neuernannte Apostolische Vikar, Exzellenz Ignatius Arnoz CMM, bei seiner bevorstehenden Konsekration tragen. Die Zöllner forderten ein Pfandgeld: 100 Kronen. Aber woher sollte der Pater das Geld bekommen? Er kannte niemand. Nie zuvor hatte er tschechischen Boden betreten. Da erklärte sich in buchstäblich letzter Minute ein tschechischer Priester bereit, das Geld vorzustrecken. Pater Adolph, der inzwischen mehrere Zugverbindungen verpasst hatte, nahm den nächsten Personenzug. Am Abend vor der Weihe traf er schließlich in Leitmeritz ein – mit dem Bischofsstab, den er – 15 Jahre später – selbst einmal tragen sollte!
Wieder zurück im Frankenland, ging Pater Adolph seiner gewohnten Arbeit nach, aber nicht mehr lange. Als die Generalleitung der Mariannhiller 1938 beschloss, in den USA ein Missionsseminar zu eröffnen, wurde er damit beauftragt. Der Kampf der Nationalsozialisten gegen die Orden war in vollem Gange. Als Pater Adolph die Ausreisepapiere beantragte, wurde erneut die antiklerikale Haltung der Beamten deutlich. Der Mariannhiller stand zudem seit Jahren auf der „Schwarzen Liste“. In einem Stuttgarter Büro spielte sich folgende Szene ab: „Name bitte!“ – „Ich heiße Adolph“. Der Beamte stutzte. Ausgerechnet dieser „Pfaff“, mag er gedacht haben, trägt den Namen des großen Führers! „Geboren?“ – „Am 20. April…“ – Jetzt brüllte der Beamte lauthals: „Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen!“ Er rang nach Luft. Doch Pater Adolph erwiderte augenzwinkernd: „Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin wirklich am 20. April geboren. Und es ist nicht meine Schuld, dass Adolf Hitler am gleichen Tag Geburtstag feiert.“ Nun, am Ende erhielt er die Ausreisepapiere. Nach der Überfahrt wirkte er mit großem Eifer am Aufbau der neuen Mariannhiller Provinz in Nordamerika, zeitweise als Provinzial. Es waren harte Jahre, aber Pater Adolph verstand es meisterhaft, Wohltäter für seine Gemeinschaft anzuwerben. Binnen weniger Jahre war ein großer Freundeskreis geschaffen.
Dann – es war im Dezember 1950 – erreichte ihn die Nachricht von seiner Ernennung zum neuen Bischof von Bulawayo. Das war für den eher schüchternen und gar nicht so selbstbewussten Ordensmann wie ein ungeschützter Keulenschlag. „Warum ausgerechnet ich?“ war seine immer wieder gestellte Frage. Gab es nicht andere, fähigere? Und warum ausgerechnet jetzt, wo er sich in den USA ganz gut zurechtgefunden hatte? Die Fragen blieben offen. Im Gehorsam, so ließ man ihn wissen, müsse er annehmen. Und so geschah es. Am 2. April 1951 wurde er von Kardinal Moony in Detroit zum Bischof geweiht. Wenige Wochen später besuchte er seine fränkische Heimat. Rimpar bereitete ihm ein großes Fest. Am 19. Mai weihte er junge Mitbrüder in der Mariannhiller Kirche in Würzburg zu Priestern. Ein paar Wochen später traf er in Bulawayo ein – dort, wo er 20 Jahre vorher seine ersten Versuche als Missionar gemacht hatte, jetzt als Bischof, dessen Wappenspruch lautete: „Ut sint unum“ (Damit sie eins seien!).
Der Missionssprengel umfasste damals nicht nur Matabeleland, sondern auch Nord- und Mittel-Botswana. 1955 erhob Rom das Vikariat zur Diözese. In den fast 25 Jahren seiner Tätigkeit als Oberhirte von Bulawayo wurde viel geleistet. Zahlreiche moderne Gotteshäuser wurden errichtet, aber auch Hospitäler und Schulen. Mehrere Haupt- und Außenstationen wurden neu begonnen, andere wurden erweitert. Bislang unerschlossene Gebiete wurden pastoral-missionarisch erfasst. Um den einheimischen Ordensnachwuchs zu fördern, gründete Bischof Schmitt 1956 eine Diözesan-Kongregation für einheimische Schwestern. 1958 durfte er den ersten Einheimischen aus dem Stamm der Amandebele zum Priester weihen, wenige Jahre später den ersten einheimischen Priester von Botswana; dieser wurde 1981 selber Bischof, mit Sitz in Gaberone! Doch zu der Zeit war Bischof Schmitt schon fünf Jahre tot (…).
Dass ihn einmal ein Einheimischer ermorden würde, hat wohl bis zum 5. Dezember 1976 niemand für möglich gehalten. Denn Bischof Schmitt stand immer auf Seiten der Einheimischen, der Unterdrückten, der Notleidenden. Von Anfang an kämpfte er für Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde aller Menschen. In einem im November 1976 veröffentlichten Interview mit dem Missionsmagazin „mariannhill“ sagte Bischof Schmitt, der 1974 resigniert hatte und nun als einfacher Missionar auf einer einsamen Missionsstation wirkte, er bleibe im Lande, weil er den Eindruck habe, dass man ihn noch brauche: „Ich bleibe auch deshalb, um meinen Mitbrüdern zu zeigen, dass ich nicht einfach wegrenne, weil nun ein neuer Bischof gekommen ist. Und ich will jetzt nicht das Land verlassen, da sich die Schwierigkeiten mehren. Ich werde in Rhodesien bleiben, solange ich bleiben darf, denn es ist praktisch meine zweite Heimat geworden (…).“
Dann kam der 5. Dezember 1976: Bischof Schmitt fuhr an diesem Sonntagnachmittag mit Pater Possenti Weggartner, Schwester Francis van den Berg und Schwester Ermenfried Knauer von Regina Mundi-Mission nach St. Luke’s, um im dortigen Krankenhaus Bruder Konrad Russer zu besuchen. Die beiden Stationen liegen etwa 40 km voneinander entfernt. Auf halbem Weg dieser einsamen Buschstraße stießen sie auf eine primitive Straßenbarriere. Bischof Schmitt, der das Auto steuerte, stieg sofort aus, gefolgt von Pater Possenti und den beiden Schwestern. Gemeinsam wollten sie die Stämme und Steine wegräumen. Da tauchte ein Einheimischer auf, in Tarnuniform, ein Maschinengewehr in den Händen. „Hände hoch! Geld her!“ schrie er mehrmals. Pater Possenti erklärte ihm, sie seien Missionare und hätten kein Geld bei sich; wenn er mitkomme, wolle er ihm auf der Station Geld geben. Darauf schrie er – auf Englisch: „All missionaries are enemies oft the people!“ Daraufhin wandte er sich an Bischof Schmitt: „Geld her. Ich erschieße dich!“ Und schon eröffnete er das Feuer. Bischof Schmitt fiel tot zu Boden. Schwester Francis beugte sich zu ihm hinab, da wurde auch sie niedergeschossen. Wenig später geschah das gleiche mit Pater Possenti. Schwester Ermenfried, der wir die Details des Hergangs verdanken, duckte sich, warf sich zu Boden und kroch unter das Auto. Da wurde auch sie beschossen; ihr linkes Schienbein wurde zertrümmert. Sie blieb regungslos liegen, bis nach etwa 20 Minuten zufällig ein anderes Auto vorbeikam. Man brachte die blutende Schwester ins Krankenhaus. Dr. Hanna Davis-Ziegler benachrichtigte die Polizei und fuhr sofort zur Unfallstelle. Sie konnte nur noch den Tod feststellen: Bischof Schmitt, Pater Possenti und Schwester Francis waren Opfer eines grausamen Anschlags geworden, des ersten unter den katholischen Missionaren des Landes. Die Missionsärztin schrieb wenige Tage später: „Noch nie habe ich mich mit soviel Traurigkeit im Herzen zu einem Brief hingesetzt. Die Ermordeten wollten uns in St. Luke’s Mission besuchen, wo Bruder Konrad Russer krank darniederlag. Statt sie am Kaffeetisch zu begrüßen, sah ich sie an der Unglücksstelle, von vielen Kugeln durchsiebt. Sie waren offensichtlich sofort tot. Unendlich rührend war der Anblick der guten Schwester Francis, die sich quer über den Bischof geworfen hatte mit der Absicht, ihn zu beschützen. Pater Possenti lag einige Schritte entfernt am Straßenrand, auch voll von Einschüssen. Das Auto stand am Wege, unversehrt. Man hat „nur“ gemordet (…). Es war ein sinnloses, wenn auch bewusstes Morden an Missionaren. Denn Pater Possenti hatte mehrmals versucht, dem Mörder klarzumachen, dass sie alle vier Missionare seien. Die beiden Schwestern trugen ihr Ordenskleid. Eine Verwechslung war ausgeschlossen. Daher wohl auch sein wiederholter Ausruf: „Alle Missionare sind Feinde des Volkes!“ Es klang, wie Schwester Ermenfried mitteilte, nach kommunistischer Parole.
Zur Beerdigung der Ermordeten – sie waren im Hof der Dominikanerinnen in Bulawayo aufbewahrt worden – hatten sich zahlreiche einheimische Gläubige, Priester und Ordensleute eingefunden. Der aus der Schweiz stammende Bischof Aloysius Haene schilderte in seiner Predigt Bischof Schmitt als aktiven, loyalen und friedliebenden Menschen: „Wenn es aber um Grundsätzliches und um Prinzipien ging, da war er ein echter Kämpfer. Er war offen, freimütig und furchtlos, wenn Gerechtigkeit und Menschenwürde auf dem Spiel standen. Vor allem aber war er ein tiefreligiöser Mann, ein echter Gottesmann.“ Erzbischof Dr. Heinrich Karlen CMM, der Nachfolger von Bischof Schmitt in Bulawayo, sagte zum Schluss der Feier: „Als Christen beten wir mit Christus am Kreuz: ‘Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!‘ – Obwohl wir schmerzerfüllt sind über den Verlust von drei eifrigen Missionaren, fassen wir doch Mut beim Gedanken, dass Gott ihren Tod als Opfer annehmen wird, um diesem Land Frieden und Versöhnung zu bringen, jenem Land, das sie geliebt und dem sie so großherzig gedient haben.“ Auf dem städtischen Friedhof von Bulawayo fanden die Ermordeten ihre letzte Ruhe. Dort werden sie auch künftigen Generationen von Christen ein Vorbild sein für missionarische Haltung. Vielleicht auch Mahner für jene, die noch lernen müssen, dass Frieden und Freiheit nicht mit Gewehren und Raketen erzwungen werden können.
Um die Persönlichkeit von Bischof Schmitt abschließend zu würdigen, seien noch ein paar Episoden aus seinem Leben angeführt, die sein Wesen charakterisieren. Er liebte es, einfach zu leben, bescheiden, zufrieden. Wenn immer er auf die große Embakwe-Mission am Rande der Kalahari-Halbwüste kam, war eine seiner ersten Fragen: „Habt Ihr ein Stück selbstgebackenes Brot für mich?“ Er wusste, dass die Schwestern selber backen. Daher rührte er niemals eine andere Speise an, ehe er nicht ein Stück trockenes Brot zu sich genommen hatte. Fast immer kommentierte er dann: „Ausgezeichnet, dieses Brot! Das beste, was es gibt. Meine Mutter hat uns Kindern das beigebracht – jedes, auch das kleinste Stückchen Brot zu schätzen. Und wie viele Menschen haben heutzutage nicht einmal das!“ Als auf der gleichen Missionsstation eine neue Kirche gebaut wurde, hatte man die Künstlerin Schwester Pientia Selhorst aus Mariannhill in Südafrika gebeten, den Kreuzweg zu malen. Sie tat es in kräftigen satten Farben – so wie es die einheimischen Christen gern haben. Etwa drei Wochen vor der feierlichen Einweihung des Gotteshauses kam Bischof Schmitt vorbei. Er ließ sich alles zeigen, entdeckte den Kreuzweg und polterte los: „Wenn diese modernen Dinger nicht umgehend entfernt werden, werde ich diese Kirche nicht einweihen!“ Daraufhin verließ er wieder die Station. Die wenigen Wochen bis zur Kirchweihe vergingen. Bischof Schmitt traf zum anberaumten Tag ein, hielt eine zündende Predigt, lobte alle, die am Bau der Kirche mitgewirkt hatten und schüttelte dem Stationsoberen beim Abschied die Hand, augenzwinkernd, so als wollte er sagen: „Das mit dem Kreuzweg ist längst vergessen!“ Es wurde, auch später, nie mehr darüber gesprochen. Typisch für den Missionsbischof! Er trug nie nach, egal wie konträr die Meinungen auch gewesen sein mögen. Er glättete am Ende alles durch seine Güte, die sich immer wieder Bahn brach.
Neben seiner Güte und Liebe zu den Menschen war das Gebet die wohl stärkste Waffe des Bischofs. Aber davon sprach er nicht. Das lebte er. Einer seiner Mitbrüder im Bischofsamt, der Nordire Donal R. Lamont, Oberhirte des Bistums Umtali/Mutare, erzählte kurz nach der Ermordung von Bischof Schmitt folgende Begebenheit, die über den Mariannhiller-Bischof Wesentliches aussagt: „Es war während einer langen Sitzung der Rhodesischen Bischofskonferenz in Salisbury Harare. Wieder einmal hatten sich die Bischöfe mit den ‚heißen Eisen‘ soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde, Rassendiskriminierung usw. beschäftigt. Den Entwurf für ein gemeinsames Hirtenwort hatte Lamont vorgelegt. Die anderen Bischöfe waren sich über gewisse Formulierungen noch nicht einig geworden. Daher unterbrach der Vorsitzende, Erzbischof Markall, die Konferenz und schlug eine längere Pause vor. Während dieser Unterbrechung diskutierten die Bischöfe und ihre Berater in kleinen Gruppen weiter, immer wieder um Kompromissformulierungen ringend. Da läutete das Telefon: Bischof Schmitt wurde aus Bulawayo angerufen, aber er war nirgends zu finden. Man suchte ihn auf seinem Zimmer, rannte hin und her. Schließlich fand man ihn in der Kapelle, still im Gebet versunken. Lamont wörtlich: ‚Das war der gute Bischof Schmitt! Während wir uns die Köpfe heißredeten, trug er unsere Anliegen dem lieben Gott vor. Er hat damit vielleicht mehr zur Lösung unserer Probleme beigetragen als wir anderen (…).‘“
Vielleicht wird auch der Mord an diesem Missionsbischof eines Tages in anderem Licht gesehen: Als Blut eines Märtyrers, das zum Samen für neues Christentum wurde.
Artikel über Bischof Adolph Gregor Schmitt CMM aus dem Buch: “Keine Götter, die Brot essen” von Pater Adalbert Balling CMM:
Pater Edmar (Georg) Sommerreißer (1913 - 1981)
Georg Sommerreisser wurde am 30. Januar 1913 zu Ortlfingen in der Diözese Augsburg geboren. Nach der Volksschule besuchte er zunächst das Gymnasium der Steyler Missionare in Ingolstadt. 1932 wechselte er in die Spätberufenenschule der Mariannhiller in Reimlingen (Ries) über. Hier machte er 1935 das Abitur. Anschließend schloss er sich dieser Missionsgemeinschaft an, besuchte das Noviziat, das wegen der damals riskanten politischen Lage von St. Paul in Arcen (Niederlande) nach Reimlingen (Deutschland) verlegt worden war. Am 17. Mai 1936 legte der Novize – er nannte sich jetzt Frater Edmar – seine Erste Ordensprofess ab. Es folgten die philosophisch-theologischen Studien in Würzburg (Mariannhiller Piusseminar) und, am Hochfest Peter und Paul 1940, die Priesterweihe in der dortigen Herz-Jesu-Kirche durch Bischof Matthias Ehrenfried. Der Zweite Weltkrieg war bereits entfesselt. Bald nach seiner Primiz wurde der Neupriester zum Militärdienst eingezogen. Er musste bis zum Kriegsende als Sanitätssoldat zur Verfügung stehen. Es gelang ihm aber, ohne Kriegsgefangenschaft nach Würzburg heimzukehren, wo er sofort mit großem Eifer seelsorgerliche Tätigkeiten übernahm.
Pater Edmar setzte sich fortan sehr intensiv für alle am Rande der Gesellschaft Lebenden ein. Er betreute jahrelang das Flüchtlingslager auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens der Main-Metropole, leistete aber auch unzählige Seelsorgsaushilfen in diversen Pfarrgemeinden Unterfrankens. Zusätzlich kümmerte er sich in diesen schweren Nachkriegsjahren um die wirtschaftlichen Belange des Mariannhiller Piusseminars, das damals auch das Würzburger Priesterseminar sowie die Theologische Fakultät der Universität beherbergte. Das Haus der Mariannhiller war nämlich eines der wenigen größeren Gebäude, das den schweren Bombenangriff auf Würzburg vom 16. März 1945 halbwegs heil überstanden hatte.
Die unkomplizierte Art von Pater Edmar, seine natürliche Fröhlichkeit, mit der er die ihm gestellten Aufgaben anging, seine stete Hilfsbereitschaft sowie seine überzeugende, schier kindliche Frömmigkeit machten ihm den Umgang mit den Menschen leicht. Oft vertauschte er spontan das Ordenskleid mit einem Arbeitsanzug und half überall mit, wo Hand angelegt werden musste. Und damals, im zerstörten Würzburg, fehlte es fast überall an beinahe allem! Für die Jugend hatte Pater Edmar immer ein großes Herz. Bei Fußballspielen machte er gerne mit – meist als Verteidiger. Wenn es galt, draußen auf den Dörfern Esswaren für die Flüchtlinge oder für die eigenen Mitbrüder im Kloster zu sammeln, war Pater Edmar mit von der Partie. Er erwies sich als sehr erfolgreicher „Bettler“, wenn es um andere ging. Seinem persönlichen Charme wurde selten etwas abgeschlagen.
Großen Wert legte der sehr praktisch veranlagte Ordensmann auf die katholische Jugendarbeit. Er half zum Beispiel mit, den Dachraum über der Sakristei der Pfarrkirche von Gerbrunn bei Würzburg mit Rohrmatten zu verkleiden, verputzte die Wände eigenhändig und schuf so – zusammen mit den Jugendlichen – ein Zentrum, das bald viele Jungen und Mädchen anzog. Höhepunkt seiner Jugendarbeit war die feierliche Bannerweihe am Christkönigsfest.
Pater Edmar muss den Jugendlichen wie ein moderner Don Bosco – und den Leuten im Flüchtlingslager wie ein St. Nikolaus vorgekommen sein! Zuweilen sah man ihn per Fahrrad Stühle, Tische oder Bänke zu den Baracken transportieren. Als Kapelle diente ein kleiner Raum neben dem Krankenrevier. Da lagen die Alten auf armseligen Pritschen; daneben stand ein schmutziger Herd, auf dem die jungen Mütter ihre Babys versorgten. Aber all das störte den Mariannhiller Pater nicht. Die heilige Messe wurde trotzdem feierlich gestaltet. Nicht selten erklang die Schubert-Messe: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz uns drücken?“ Oder Pater Edmar stimmte eines der zahlreichen Marienlieder an, die im Frankenland sich großer Beliebtheit erfreuen. Diese tiefe Verehrung der Gottesmutter blieb ihm zeitlebens erhalten.
1949 ging für Pater Edmar Sommerreisser ein großer Wunsch in Erfüllung: er durfte in die Afrikamission gehen – nach Matabeleland, eine Region im heutigen Simbabwe. Damals hieß das Land noch Rhodesien. Nach einer längeren Kaplanszeit in der Industriestadt Bulawayo wurde er Stationsoberer von St. Luke’s Mission. Das war 1962. Fünf Jahre später wirkte er in Empandeni, der ältesten Station des Erzbistums, und ab 1967 in Gwanda, einem kleinen Städtchen im Süden des Landes. 1979 nahm Pater Edmar als Delegierter der Bulawayo-Provinz am Generalkapitel der Mariannhiller Missionare in Rom teil. Nach seiner Rückkehr übertrug man ihm die soeben wiedereröffnete Station Regina Mundi, die sein letzter Auftrag werden sollte und den er mit seinem Blut bezahlen musste.
Es war am 25. April 1981, am Samstag vor dem Weißen Sonntag. Pater Edmar hatte sich am Abend auf sein Arbeitszimmer zurückgezogen, wohl um sich auf den kommenden Sonntagsgottesdienst vorzubereiten. Er war allein im Haus, denn Bruder Konrad Russer war zu Besorgungen nach Bulawayo gefahren. Gegen 19 Uhr drangen drei Afrikaner zum Priesterhaus vor. Sie überrumpelten Pater Edmar; es muss, wie die Polizei später feststellte, zu einem Handgemenge gekommen sein, bei dem es Verletzungen gab, denn im Haus und auch davor fanden sich erhebliche Blutspuren. Offensichtlich war es Pater Edmar gelungen – unerschrocken wie er war –, die Einbrecher aus dem Haus zu vertreiben. Aber mehrere Schüsse waren zu diesem Zeitpunkt schon gefallen; Pater Edmar hatte Schusswunden. Nachdem die Täter zunächst abgewehrt waren, telefonierte der Missionar mit den benachbarten Schwestern, berichtete ihnen vom Überfall und auch von seiner, wie er meinte, eher leichten Verwundung. Er bat die Nonnen, umgehend die Polizei zu benachrichtigen. Als die Sicherheitsbeamten eintrafen, – etwa eine Stunde später – fanden sie ihn tot in seinem Schlafzimmer. Die Einbrecher hatten ihn kaltblütig niedergeschossen, wahrscheinlich durch das offenstehende Fenster, dessen Vorhänge nicht gezogen waren. Die Polizei vermutete, dass die Mörder von außen nachschossen, als sie Pater Edmar beim Telefonieren sahen. Raubüberfall, stellten die Beamten fest. Von den Tätern fehlt – auch nach Jahren – jede Spur. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Vermutlich waren es „freischaffende Freischärler“, die sich damals zu Tausenden im Land herumtrieben.
Ob sie bewusst auf weiße Missionare schossen – oder einfach überall dort überfielen, wo sie meinten, ungeschoren davonzukommen, lässt sich nicht mehr ausmachen. Sicher ist, dass Pater Edmar unter den Einheimischen zahlreiche Freunde hatte. Sie liebten ihn wie einen
Vater. Dass ausgerechnet Einheimische seine Mörder sein sollten, war und bleibt auch für die einheimischen Christen Matabelelands ein schwerer Schlag. Auf derselben Station war es schon früher, während der Bürgerkriegsunruhen, zu blutigen Überfällen gekommen. Bischof Adolph (Gregor) Schmitt, Pater Possenti Weggartner und Schwester Francis van den Berg – alle drei Mariannhiller Missionare – waren ganz in der Nähe im Dezember 1976 von einem einheimischen „Untergrundkämpfer“ ermordet worden. Auch Herr Kogler, ein Maurer und Entwicklungshelfer aus Österreich, wurde in Regina Mundi ein Opfer einheimischer Freischärler. Vorübergehend musste die Station ganz geschlossen werden. Sie war erst ein Jahr vor Pater Edmars Tod wieder neu besetzt worden.
Fast die Hälfte seines Lebens hatte der 68jährige Mariannhiller Missionar in Simbabwe verbracht, in einem Land, das ihm zur zweiten Heimat geworden war. Die Jahre seines Wirkens hatten ihn viel Kraft gekostet. Aber egal, wo man ihm begegnete, er strahlte immer Zuversicht aus – und urtiefes Gottvertrauen. Auch von noch so schlimmen Rückschlägen und persönlichen Enttäuschungen ließ er sich nicht – nicht auf Dauer – niederdrücken. Beim Gedenkgottesdienst in seiner Heimatpfarre Ehingen hielt Bischof Josef Stimpfle (Augsburg) das Pontifikalrequiem. Er nannte den ermordeten Missionar einen modernen Glaubenszeugen und Märtyrer. Pater Waldemar Regele CMM wies in seiner Predigt darauf hin, dass Pater Edmar nicht nur ein herzensguter Mitbruder gewesen sei, sondern immer und für jedermann die Hilfsbereitschaft in Person: „Wo immer er gebraucht wurde, hat er geholfen. Gewiss, zuweilen wurde er auch ausgeschmiert und ausgenützt; er war einfach zu gut, zu ehrlich, kurzum ein Mann des Friedens, der Versöhnung und der Zuversicht.“ Bischof Stimpfle ergänzte sinngemäß: So sehr man über diesen Mord betroffen sei, so viel größer sei doch die Hoffnung, dass auch dieses Opfer nicht vergebens gewesen ist. Am 28. April 1981 trug man den Ermordeten zu Grab – auf dem städtischen Friedhof in Bulawayo. Dort ruht er neben weiteren neun Mariannhiller Missionaren, alle Opfer grausamer Mordanschläge.
Bruder Matthias (Paul) Sutterlüty (1933 - 1983)
Von der Sehnsucht nach Gott und dem Wunsch, Menschen zu helfen
Sein tragischer Tod am Embakwe-Damm war kein Heldentod. Aber sicher auch kein feiges Sich-Ergeben. Er war „in Sicht“, angesichts der politischen Umstände damals. Über die Täter, wer immer sie waren, welches Motiv sie getrieben haben mag, und auch über den Tathergang – darüber gibt es keine endgültigen Erkenntnisse. Wir können nicht ausschließen, dass Einheimische der Umgebung am Mord beteiligt (oder doch interessiert) waren, nachdem man anfangs „militante Banden“ (Restgruppen aus dem Bürgerkrieg) dafür verantwortlich machen wollte.
So oder so – die Briefe des Mariannhiller Missionars beweisen es überdeutlich: Bruder Matthias wusste um die Gefahren; er wollte nicht fliehen; wollte die Menschen, zu denen er sich gesandt fühlte, nicht im Stich lassen. Schon diese Haltung gibt ihm den Anstrich eines Zeugen. Und was heißt „Märtyrer“ anderes als „Zeuge“ sein – Zeuge für die eigene Über-Zeugung?
Von Egg nach Riedegg / von Vorarlberg nach Rhodesien
Geboren wurde Bruder Matthias Paul Sutterlüty am 29. Dezember 1933 zu Egg in Vorarlberg – ein kleiner Ort südöstlich von Bregenz, nordöstlich von Dornbirn; also in der Nähe von Langen-Hub, dem Geburtsort von Abt Franz Pfanner, Gründer von Mariannhill und Stifter der Mariannhiller Missionsschwestern vom Kostbaren Blut. Er war das achte von zehn Kindern der Eheleute J. Peter und Anna Sutterlüty. In der Taufe erhielt er den Namen Paul; Matthias wurde sein Ordensname nach dem Eintritt bei den Mariannhillern.
Die Familie Sutterlüty gehört zu den angesehenen des Ortes. Josef, der älteste unter den Brüdern, übernahm die elterliche Getreidemühle und Bäckerei; Hans wurde Diözesangeistlicher, Anton studierte Jura; er war später Bürgermeister von Egg. Die Müllersfamilie galt schon lange im Umfeld des Bregenzerwaldes als fleißig, umsichtig und fromm.
Das blieb so – auch nach dem Tod der Eltern. Die Sutterlüty-Geschwister hatten gute Kontakte unter sich – auch noch, als ihr Bruder Paul ins Kloster ging bzw. in die Afrika-Mission. Selbst die Pfarrgemeinde von Egg nahm regen Anteil an den Aufgaben, Problemen und Sorgen des Missionars, vielleicht nicht zuletzt auch ein Verdienst des Ortsgeistlichen Pfarrer Jäger; denn da spielten weitere „familiäre“ Gründe mit: Jäger ist Großneffe des Mariannhiller Bruders Sigisbert Jäger, der 1900 in die südafrikanische Abtei eingetreten, und später lange Jahre Hausökonom des Missionshauses in Reimlingen/Ries war. (Er starb 1958 in St. Georgen am Längsee/Kärnten.)
Also die Sutterlütys haben in Egg Klang und Namen; schon der Vater J. Peter war einst Bürgermeister des Ortes. Kein Wunder, dass er auch für eine solide Ausbildung seiner Kinder sorgte.
Paul, der spätere Bruder Matthias, erlernte, nach dem Besuch der Volks- und Handelsschule, im elterlichen Betrieb das Handwerk eines Getreide-Müllers – mit dem Abschluss der Meisterprüfung. Oft half er auch in der Bäckerei des Vaters aus oder in der Landwirtschaft. Nach Jahren aufgeschlüsselt, ergibt sich folgendes Bild seiner „Lehrzeit“ – die Volksschule von Egg besuchte er von 1940–1948; die Handelsschule in Lustenau von 1948-1950; die Müllerei-Fachschule in Wels vom 6. September 1954 – 6. Juli 1955. Dazwischen – von 1950-1958 – liegen acht Jahre intensiver Mitarbeit auf dem väterlichen Anwesen.
Aber so ganz erfüllt von diesem Beruf, so innerlich mit sich zufrieden war er nicht. Er spürte, dass Arbeiten und Geld verdienen und Karriere machen das Letzte eigentlich nicht sein könne – nicht, wenn auf den Sinn des Lebens bezogen.
Der missionarische Gedanke muss damals schon wach gewesen sein. Oder doch im Aufkeimen. Denn ab 1. September 1959 (bis 15. Juli 1960) bewarb er sich um die Mitgliedschaft der Laienhelfer-Gemeinschaft St. Johannes im Missionsärztlichen Institut in Würzburg.
Vielleicht war es hier, in der Frankenmetropole, wo Bruder Matthias erste Bekanntschaft mit den Mariannhillern machte; das Piusseminar und das Missionsärztliche Institut sind Nachbarn. Was immer sein persönliches Motiv gewesen sein mag, wissen wir nicht; nur – dass er sich 1960 um Aufnahme in die Kongregation bewarb – und zwar im österreichischen Riedegg bei Linz/Donau. Am 1. November begann er sein Postulat; zum Noviziat kam er mit weiteren Postulanten der österreichischen Provinz nach Reimlingen, wo er am 30. April 1961 eingekleidet wurde. Das Noviziat für Brüdermissionare dauerte damals zwei Jahre. Gegen Ende des zweiten Jahres wechselte er zurück nach Riedegg, wo er am 1. Mai 1963 die Erste Profess ablegte. Die Ewige Profess folgte am 1. Mai 1966, ebenfalls in Riedegg.
In der Beurteilung (vor der Zulassung zu den Gelübden) wird er als ordentlich, rücksichtsvoll, gefällig, bescheiden, gesellig, intelligent, strebsam, musikalisch, humorvoll und frohgemut beschrieben – alles Eigenschaften, die in Ordensgemeinschaften schon immer willkommen waren.
Mariannhiller-Einsatz in Banjaluka
Die kommenden Jahre in Riedegg waren für Bruder Matthias ausgefüllt, vor allem mit Büro-Arbeit für die österreichische Mariannhiller-Provinz. Mühsame und nach außen oft kaum sichtbare Arbeit. Dazu brauchte es viel Ausdauer, aber auch die täglich neue Anstrengung, um die Routine-Aufträge in der Prokura zu bewältigen. Nach seinen ursprünglichen Vorstellungen war das nicht; er hatte sich ja der Gemeinschaft angeschlossen, weil er in die Mission gehen wollte; er tat sich schwer, in seiner jetzigen Tätigkeit den Willen Gottes zu erkennen. Vielleicht kam ihm da ein SOS-Ruf der Trappisten in Jugoslawien gerade recht, auch um mal etwas mehr „direkte Hilfsarbeit“ zu leisten.
Abt Fulgence hatte sich im November 1969 brieflich gemeldet mit der Bitte um Hilfe. Das einst von Abt Franz Pfanner gegründete Kloster Mariastern bei Banjaluka (damals noch Jugoslawien, heute Bosnien) war durch ein Erdbeben stark beschädigt worden. Vor allem die Abteikirche hatte es arg getroffen. Der steinerne Baldachin über dem Hochaltar war in die Krypta abgestürzt; die beiden Giebel der Querschiffe waren heruntergefallen, auch der über der Empore hatte große Risse. Am meisten hatte es die Mönche selber verunsichert und „beschädigt“. Abt Fulgence wörtlich: „Noch jetzt dröhnt es mir in den Ohren und Gliedern. Während des Bebens waren wir gerade in der Kirche neben der Orgel. Es war etwas Furchtbares und Unbeschreibliches. Da wir nicht mehr im Haus wohnen konnten, sondern draußen unter dem Zelt, habe ich die älteren Mönche nach Zagreb transportieren lassen, wo sie im Priesterseminar eine gute Unterkunft gefunden haben … In Mariastern sind die Patres Anton und Tiburtius sowie Bruder Hermagot zurückgeblieben, damit sie dort unsere Interessen vertreten – und retten, was man retten kann.“
Auf diesen Hilferuf reagierten die Mariannhiller in Riedegg sofort, allen voran Bruder Matthias. Aus einem späteren FN-Bericht geht hervor, dass er und zwei weitere Brüder schon am 12. November nach Bosnien fuhren; „Vollgepfropft mit allen möglichen Sachen – und auch ein wenig Geld – mussten wir uns schon nach einigen Kilometern Fahrt von der Polizei sagen lassen, dass es nicht erlaubt sei, mit einem dermaßen überfüllten Wagen eine öffentliche Straße zu benützen. Nachdem wir den Hütern des Gesetzes mittels Empfehlungen von Seiten der Caritas plausibel machen konnten, worum es bei dieser ‚Spazierfahrt‘ gehe, meinten sie, wir sollten ‚ausnahmsweise‘ ungestraft weiterfahren und uns nicht von anderen Kollegen erwischen lassen.“
An der jugoslawischen Grenze gab es – wider Erwarten – keine Probleme, erst später in Bosnisch-Gradiska; da war gerade Bauernmarkt – und die Straßen waren überfüllt mit Pferdewagen. Aber auch dieses Hindernis wurde bewältigt. Nach 700 Kilometer Fahrt traf das Riedegger Auto in Banjaluka ein, wo sie von den Schwestern vom Kostbaren Blut (nicht zu verwechseln mit den Missionsschwestern gleichen Namens!) begrüßt wurden. Beim Besichtigen des Klosters stellte Bruder Matthias fest: „Man kann allgemein sagen, dass bis auf die modernen, mit Stahl und Beton gebauten Häuser alle Bauten (das gilt auch für die Stadt Banjaluka) mehr oder weniger schweren Schaden erlitten haben. Aber Ruinen im üblichen Sinne gab es nicht sehr viele zu sehen.“
Das einst von Abt Franz errichtete Kloster musste teilweise abgerissen werden. Notunterkünfte wurden überall geschaffen. Die Brüder aus Riedegg konnten diesbezüglich erste Hilfe leisten. Nach zwei Wochen Einsatz trafen sie wieder in Oberösterreich ein – „gesund und mit ein klein wenig Stolz behaftet“.
Über die Westküste nach Süd- und Ostafrika
Von 1963 bis 1968 war Bruder Matthias in der Provinz-Buchhaltung tätig. Er arbeitete sehr solide und zuverlässig; kein Wunder, dass er schon 1968 zum Provinzökonom ernannt wurde, eine Aufgabe, die ihn allerdings innerlich nicht recht befriedigte. Daher auch die Bitte an die Ordensleitung, man möge ihn in die Afrika-Mission gehen lassen. 1970 war es soweit.
Kurz nach seinem Banjaluka-Einsatz erhielt Bruder Matthias die für ihn freudige Nachricht, er sei für die Afrika-Mission vorgesehen. Weniger erfreulich war, dass er im Monastery zu Mariannhill als Buchhalter tätig werden sollte. Die österreichische Provinz protestierte; man möge ihn, bitte, für missionarische Arbeit vorsehen, nicht wieder für Bürodienste!
Daraufhin revidierte das Generalat der Mariannhiller in Rom seine Entscheidung und versetzte Bruder Matthias am 4. Mai 1970 in die Bulawayo-Provinz nach Rhodesien. In seiner Heimatgemeinde Egg fand anlässlich seiner Aussendung am ersten Adventssonntag eine Sammlung zugunsten der Mission statt. In seinem Abschiedsschreiben an die Landsleute bedankte er sich dafür und ermutigte sie zum Gebet für die Missionare.
Dann ging’s mit der „Europa“ ab Venedig auf die 14.500 Kilometer lange Reise nach Afrika. Am 22. Januar 1971 hatte er Riedegg verlassen. Von Linz bis zur italienischen Grenze ging alles ganz glatt. Grund zur Aufregung gab’s in Venedig: seine drei Kisten mit Missionsgut waren noch nicht angekommen, obwohl schon über sechs Wochen vorher abgeschickt! Sie mussten später nach Österreich zurücktransportiert und schließlich in Hamburg eingeschifft werden. Die Fahrt selber verlief gut. Es waren an die 500 Passagiere an Bord – bei 250 Mann Schiffspersonal. Unterbrochen wurde allerdings in Durban. Bruder Matthias konnte einen Abstecher nach Mariannhill machen, wo er sogar eine Landsfrau antraf. Bis er dann das Schiff verlassen konnte, war es 16. Februar geworden. Von Beira gings per Wagen weiter nach Rhodesien – runde 1.500 Kilometer.
Die ersten Monate verbrachte er auf der Fatima-Mission, doch noch im gleichen Jahr wurde er nach Brunapeg versetzt (St. Anne’s Mission). Hier blieb er mehrere Jahre – bis Juni 1975, als er gebeten wurde, nach St. Paul’s zu gehen. Dort wirkte er sehr segensreich, dort überlebte er im wörtlichen Sinn des Wortes den blutigen Überfall vom 9. August 1977, bei dem Dr. Hanna Decker und Schwester Ferdinanda Ploner ums Leben kamen.
Am 1. September 1979 trat Bruder Matthias seinen Heimaturlaub an, verlängert durch einen Sonderurlaub, um eine Zeitlang die Betreuung der Förderer und Wohltäter in Österreich zu übernehmen.
Am 18. November 1980 – also nach der politischen Unabhängigkeit Rhodesiens, von nun an Simbabwe genannt – flog er nach Bulawayo zurück; ab 26. November treffen wir ihn bereits in Empandeni, um von dort aus zusammen mit Pater Johannes Banning und Thomas, einem Laienhelfer aus Deutschland, die Wiedereröffnung von Embakwe vorzubereiten. Am 27. Januar 1981 wurde er offiziell auf die neueröffnete Station versetzt; dort blieb er bis zum 10. November 1983.
Brutaler Mord am Damm des Stausees – Die Situation am Tag des Geschehens
1983 war für Matabeleland ein schlimmes Jahr. Zu Hunderten, vielleicht gar zu Tausenden trieben die „Dissidenten“ (ehemalige Untergrundkämpfer oder auch allgemein Unzufriedene bzw. mit der Regierungspolitik nicht Einverstandene) ihr Unwesen – sengten, plünderten, raubten, mordeten. Zur politischen Unsicherheit kam eine große Dürre. Der Regen war weithin ausgeblieben. Schmalhans war allenthalben Küchenchef. Das Maismehl war im ganzen Land knapp geworden.
Zu dieser äußeren Unsicherheit kam in Embakwe, wo Bruder Matthias wirkte, noch die lokale Unstimmigkeit der dortigen Afrikaner: Sie hatten Jahrzehnte auf der Missionsfarm gewohnt und davon profitiert. Jetzt, nachdem das Land ihnen übereignet worden war, mussten sie mehr denn je für sich selber sorgen. Das betraf – damals, im letzten Drittel des Jahres 1983 – vor allem auch die Versorgung mit Wasser. Der große Staudamm von Embakwe (mit 20 Millionen Hektoliter Fassungsvermögen) war von der Mission angelegt worden – zum Nutzen aller. Auch die einheimischen Farmer konnten ihr Vieh dorthin zur Tränke bringen; ihre Wasserlöcher wurden unterirdisch vom Stausee gespeist. Als nun Bruder Matthias – nach der Wiedereröffnung der Station – sah, dass die aus Erde angehäufte Damm-Mauer Schäden aufwies, machte er sich daran, diese auszubessern. Vor allem wollte er den Damm durch einen neuen Stacheldrahtzaun schützen. Die Rinder hatten offensichtlich frühere Zäune durchbrochen und dementsprechend den Damm zertrampelt und somit auf längere Sicht nicht nur arg demoliert, sondern auch zur Gefahr werden lassen. Ein plötzlicher Dammbruch hätte verheerende Folgen gehabt.
Das aber, die Ausbesserungs-Arbeiten am Damm von Seiten der Mission, schienen die Afrikaner nicht so recht zu verstehen. Auch nicht, nachdem Bruder Matthias und Pater Johannes Banning es ihnen wiederholt erklärt hatten.
Für Pater Banning, dem Rektor der Station, war der Vorarlberger schier unersetzlich, vor allem was die Instandsetzung und Instandhaltung der Betriebe und Anlagen betraf: „Ohne ihn hätten wir kein Wasser, keinen Strom, keine gut funktionierenden Autos, keine Zäune und keine guten Straßen. Ohne ihn hätten wir keine guten Stühle, keine Türschlösser und keine Fahne auf dem Kirchturm. Aber weil er da ist, haben wir alles – und noch viel mehr. Er leitet die Schreinerei und Tischlerei; er ist der Direktor des kleinen Embakwe-Museums. Was kaputt ist, macht er wieder heil, und alles ohne zu brummen, sondern mit wahrem Eifer, und Dienst an allem, die seine Hilfe brauchen.“
Spurensuche per Hubschrauber und Spürhunde
Ein solch ausgefüllter Tag war der 10. November 1983. Bruder Matthias war mit sechs einheimischen Männern zum Damm des künstlich angelegten Stausees am Tshankitsha-Fluss – nur wenige Kilometer von der Missionsstation entfernt. Dort waren sie schon seit einer Woche beschäftigt, einen alten Viehzaun zu reparieren und einen neuen um die Staumauer zu errichten. Das war an einem Donnerstag. Seltsamerweise war einem der irischen Brüder (Christian Brothers) tags zuvor, als er mit mehreren Buben in der Nähe des Dammes Dünger für die Schulgärten einsammelte, aufgefallen, dass der sonst eher stark frequentierte See schier einsam vor ihnen lag: keine Angler, keine Hütebuben, keine Rinder.
Davon wusste Bruder Matthias nichts. Er und seine Arbeiter gingen sofort daran, die Sicherung des Erdwalls voranzutreiben – damit, wie erwähnt, das Vieh der Station und das der benachbarten einheimischen Landwirte keinen weiteren Schaden anrichte. Gewöhnlich fuhr der Bruder die Arbeiter früh hinaus und kehrte dann auf die Station zurück, wo er diversen anderen Arbeiten nachging. An diesem Donnerstag aber – so hatte er zuvor Pater Banning mitgeteilt – wollte er draußen bleiben; die Errichtung des Viehzauns entlang der Staumauer erfordere seine Mithilfe.
Als er zum Mittagessen nicht zurückkam, wunderte man sich zwar ein wenig, meinte aber, es sei sein eigener Wunsch gewesen. Er war aber auch noch nicht zurückgekehrt, als Pater Banning gegen 16.30 Uhr von einer Buschfahrt vom benachbarten Dukwe heimkam. Leicht beunruhigt, fuhr daraufhin der (irische) Maristenbruder Horan mit einem einheimischen Arbeiter zum Staudamm. Dort fanden sie das total ausgebrannte Fahrzeug der Mission, jedoch keine Spur von Bruder Matthias; auch nicht von seinen einheimischen Gehilfen.
Bruder Horan kehrte sofort um und alarmierte die anderen Missionare, die Polizei in Plumtree und das Heer. Mit einem benachbarten Farmer fuhren dann die Missionare abermals zum Stausee hinaus. Wiederum ohne irgendeine Spur zu sichern. Die anbrechende Dunkelheit machte ein Weitersuchen unmöglich. Jetzt informierte der Farmer die Luftlande-Einheit in Gwanda und bat sie, bei der Suche nach dem Verschwundenen mitzuhelfen. Anderntags, früh um 5.30 Uhr überflogen die ersten Hubschrauber das Gelände am Embakwe-Stausee. Am Boden wurden von der Polizei und den Soldaten Spürhunde eingesetzt.
Um 7.30 Uhr (am Freitag) standen plötzlich alle sechs Arbeiter, die mit Bruder Matthias tags zuvor am Stausee waren, vor dem Gebäude der Missionare in Embakwe. Sie hatten leichte Wunden und wirkten eingeschüchtert und verstört. Auf die Frage, wo Bruder Matthias sei, kam zunächst nur ein stummes Achselzucken; dann folgten unklare Wortfetzen. Die Polizei nahm sie zunächst in Haft. Etwas später meldete sich ein Weißer von der benachbarten Farm: Die Missionare sollten sofort kommen! – Dort erwarteten sie mehrere Offiziere – und die schreckliche Nachricht, Bruder Matthias Paul Sutterlüty sei ermordet aufgefunden worden.
Im Post-Mortem-Bericht der Polizei, ausgestellt von Dr. S. S. Panwar (und Constable David) am 14. November 1983, wird die Todesstunde mit 24.00 Uhr (10.11.83) angegeben; das Alter mit 50 Jahren, die Größe mit 1,80 und das Gewicht mit 75 Kilo. Dann folgt die Feststellung: „Der Verstorbene wurde von Dissidenten entführt, in den Busch verschleppt, wo er erschossen wurde.“
Die ärztliche Untersuchung ergab aber ein anderes Bild: Die Fingernägel waren blau; Quetschungen am linken Hand- sowie an Fingerrücken, ebenso oberhalb beider Knie und am linken Arm. Dann werden vierzehn Stichwunden aufgezählt in Brust, Nacken, Hinterkopf, Rücken, Stirn sowie über dem rechten Auge … Zwei der Stiche drangen bis zum linken Lungenflügel vor, ein anderer zum rechten, sodass beide Lungenräume zusammenfielen; in beiden befand sich Blut.
Als Todesursache: „Vielfache Stichwunden, die beide Lungenflügel verletzten; Zusammenfall der Lungen, Lungenblutung und Schock“ (Soweit das Dokument des Arztes)
In einem Bericht von der Geheimpolizei (Plumtree-CID) an den „verantwortlichen Priester“ der Embakwe-Mission, ausgestellt am 9. Dezember 1983, heißt es: „Am 10. November 1983 gegen 10.30 Uhr arbeitete Bruder Matthias Sutterlüty am Embakwe-Damm mit sechs Arbeitern von der Missionsstation. Er errichtete gerade einen Zaun am Damm, als sich 12 (sic!) Dissidenten, mit A.K.-Gewehren bewaffnet, ihm näherten. Die Dissidenten forderten alle auf, sich zu ergeben und die Hände über den Kopf zu halten, was sie auch taten. Dann fragten sie Bruder Sutterlüty, ob er ein Gewehr bei sich habe. Er antwortete, er habe keines. Sie warfen ihm vor, er zäune den Damm ein, damit das Vieh der Nachbarn vom Gemeindeland keinen Zugang zum Wasser mehr hätte. Sie forderten ihn und seine Arbeitergruppe auf, mitzukommen; sie gingen einige Meter vom Damm weg und befahlen allen, sich niederzusetzen. Dann teilten sich die Dissidenten in zwei Gruppen. Einigen Arbeitern befahlen sie, die eine Gruppe dorthin zu begleiten, wo der Wagen der Mission geparkt war. Die andere Gruppe blieb zurück und bewachte Bruder Sutterlüty und die restlichen Arbeiter. Als die eine Gruppe den Platz erreicht hatte, wo der Wagen stand, befahlen sie den Arbeitern, Brennholz zu sammeln; dann öffneten sie die Motorhaube, ließen Benzin herauslaufen und setzten den Wagen in Brand. Anschließend kehrten sie zu der anderen Gruppe zurück und marschierten (zusammen) etwa sechs Kilometer ins Gelände der Wilberforce-Farm. Dort befahlen sie Bruder Sutterlüty, in das (Ameisenhaufen-)Loch zu steigen, mit den Füßen voraus, und stachen ihm zweimal mit dem Bajonett in die Brust, einmal in den Kopf – und töteten ihn. Dann befahlen sie den Missionsarbeitern, seinen Körper mit Erde und Steinen zu bedecken. Danach schlugen die Dissidenten die Arbeiter mit Stöcken und sagten ihnen, sie sollten nichts davon der Polizei oder der Armee berichten. Wenn sie es doch täten, würden sie sie töten. – Der Leichnam wurde von der Armee am 11. November 1983 gefunden.“ Unterzeichnet wurde der Report von „DSO Mthombeni S.B.K.“
Nachgereicht & neu überdacht
Spätere, zusätzliche Informationen weisen darauf hin, dass Bruder Matthias eines unmenschlichen Todes sterben musste. Mit einem Vorstoßhammer hatte man ihm die Schädeldecke zertrümmert, dann – wie bereits erwähnt – mit 14 Bajonett-Stichen zerstochen und zuletzt in einem Ameisenloch buchstäblich verscharrt. Ärztlichen Aussagen zufolge soll er, schon vergraben, noch einige Zeit gelebt haben. Verzerrte Finger und Speichelblasen auf den Lippen legten nahe, dass er, obwohl bewusstlos, erst später starb.
Die Beerdigung fand am Dienstag, den 15. November statt – unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und im Beisein seines (leiblichen) Bruders Pfarrer Hans Sutterlüty aus Batschuns in Vorarlberg. Das Requiem zelebrierte Bischof Karlen – in Konzelebration mit zahlreichen Priestern, darunter der Sekretär des Pro-Nuntius sowie Weihbischof Mutume von Harare.
Provinzial Pater Norbert Zürrlein verwies in seiner Ansprache auf das Bibelwort: „Sogar Eltern und Brüder, Verwandte und Freunde werden euch ausliefern – und manche von euch wird man töten.“ (Lk 21,16) – Auf Bruder Matthias bezogen, fuhr er fort: „Da war ein verhältnismäßig junger Mann, immer froh, zu jedem höflich. Er verließ sein Haus, seine Eltern, ging in ein fremdes Land, um für die Menschen dort zu arbeiten – ohne einen Pfennig dafür zu bekommen. Und dann wurde er ermordet, vielleicht gerade von denen, für die er sich abgerackert hat.
Ein solcher Tod stimmt uns traurig, oder beängstigt sogar einige von uns. Aber wenn wir zu Christus aufschauen und uns seiner Worte erinnern, dann sollte es uns gar nicht überraschen … – So dürfen auch wir nicht überrascht sein, wenn solche Ereignisse wie dieser unsinnige Mord an Bruder Matthias geschehen; mehr noch, wir sollten nicht ängstlich oder mutlos werden – und schon gar nicht verbittern. Was anders könnten wir erwarten, da unser Herr (schon vor uns) verfolgt wurde?“
Dann skizzierte er den Lebenslauf des Ermordeten und erwähnte noch, dass auf seinem Schreibtisch in Embakwe eine Spruchkarte gefunden worden sei mit der Aufschrift: „Der größte Gegner des heiligen Geistes ist die Durchschnittlichkeit.“ Dieses Motto fasse sein ganzes Leben als Ordensmann zusammen. Denn „er gab sich nicht damit zufrieden, Ordensbruder zu sein; er blieb sich stets der großen Anforderung bewusst, die Christus an uns alle stellt: Seid ihr also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist! (Mt 5,48)…“
Bruder Matthias war immer bemüht, vollkommener zu werden. „Darum ist auch sein Sterben eine Herausforderung an uns alle, besonders an uns Ordensleute – nicht selbstzufrieden zu verharren, sondern unermüdlich nach Vollkommenheit zu streben – ohne gleich den Mut zu verlieren… – Wichtiger noch, wir müssen Menschen der Hoffnung sein. Auch wenn der heutige Tag ein Tag der Trauer ist; als Christen sind wir nie ohne Hoffnung. Wir hoffen und vertrauen im Gebet, dass sein Blut nicht umsonst vergossen wurde, sondern mithilft, unserem zerrissenen Land Frieden und Einheit zu bringen.“
Pater Possenti Weggartner (1907 - 1976)
Am 23. Mai 1907 wurde Anton Weggartner im bayerischen Pelkering als Sohn der Eheleute Franz und Maria Weggartner geboren. Nach der Volksschule im Heimatort und den Gymnasialstudien in Freilassing meldete er sich bei den Mariannhiller Missionaren in Reimlingen, Diözese Augsburg. Es war der 29. April 1928. Eine Woche später, am 6. Mai, empfing er in St. Paul in Arcen (Niederlande) das Ordenskleid. Mit der Beendigung des Noviziates legte er die Erste Profess am 9. Mai 1929 ab. Die ewigen Gelübde folgten am 7. Mai 1932 in Würzburg. Dort hatte er mittlerweile mit dem Studium der Theologie begonnen. Die Priesterweihe empfing er am 10. März 1933 aus den Händen des Würzburger Diözesanbischofs Matthias Ehrenfried. Schon ein Jahr später sandten ihn die Ordensobern nach Rhodesien (heute Simbabwe), wo er Kaplan bei seinem bayerischen Landsmann Pater Josef Kammerlechner in der St. Patrick’s-Mission in Bulawayo wurde. Von dort aus betreute er weite Gebiete, meist zu Fuß und per Fahrrad – bis in die Gwaai-Region und bis nach Wankie in der Nähe der weltberühmten Victoriafälle.
1936 bat ihn Bischof Ignatius Arnoz CMM, die Leitung des Schulzentrums in Empandeni am Rande der Kalahari-Halbwüste zu übernehmen. Um auch die erforderlichen schulischen Qualifikationen für das Amt des Rektors zu erlangen, sandte man ihn zuvor zum Sonderstudium nach England. Hier wurde er vom Zweiten Weltkrieg überrascht und infolgedessen interniert – erst in Kanada, dann in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Nach Kriegsende kehrte Pater Possenti nach Rhodesien zurück und übernahm jetzt – einige Jahre verspätet – das Amt des Prinzipals der Empandeni-Schulen: Lehrerseminar, Gymnasium, Haushaltungsschule etc. Seine spätere Ernennung zum Rektor der Missionsstation Embakwe wurde kurzfristig wieder rückgängig gemacht. Er wurde stattdessen Leiter der Regina-Mundi Mission – samt Schulen und Außenstationen.
Pater Possenti war zeitlebens ein passionierter Lehrer. Mit viel Geduld und großem Eifer widmete er sich aber auch der pastoralen Arbeit. Er war beliebt und gefragt als Beichtvater für Schwestern und Novizinnen. Jahrelang fungierte er auch als „Educational Secretary“ (Schul-Inspektor) der Diözese Bulawayo. Wer den stets freundlichen, immer zum Helfen bereiten Pater kannte, wer seine Liebenswürdigkeit und seine feine Art, mit Menschen umzugehen, schätzte, konnte es kaum glauben, dass ausgerechnet er von einem einheimischen „Freischärler“ ermordet werden sollte. Sein ganzes Leben als Missionar hatte er in den Dienst der Afrikaner, vor allem ihrer schulischen Ausbildung, gestellt. Für Tausende von Jugendlichen war er viel mehr als Lehrer, nämlich Mentor und väterlicher Freund. In Matabeleland, der südwestlichen Region des Landes, gab es wenige einheimische Intellektuelle, die nicht irgendwann einmal mit ihm zu tun hatten und die sich nicht ebenso gerne dieses Gentleman-Missionars erinnerten.
Um so mehr platzte die Nachricht von seinem gewaltsamen Tod wie eine Bombe. Am 5. Dezember 1976 wurde er – zusammen mit dem Mariannhiller Missionsbischof Adolph Schmitt und Schwester Francis van den Berg CPS – zwischen Regina Mundi-Mission und St. Luke’s von einem einheimischen „Freischärler“ ermordet. Eine weitere Schwester, Schwester Ermenfried Knauer CPS, überlebte den Überfall. Der Mörder wurde zwar später gefasst, brach aber wieder aus und wurde nie mehr zur Rechenschaft gezogen.
Den Hergang dieser ruchlosen Tat wissen wir ziemlich genau: Die vier Mariannhiller Missionare wollten im benachbarten St. Luke’s den kranken Bruder Konrad Russer CMM besuchen. Auf halbem Weg stießen sie auf eine primitive Straßensperre; ein Baum lag quer über dem Weg, daneben Steine und Reisig. Bischof Schmitt, der den Wagen steuerte, stieg sofort aus; ebenso Pater Possenti und die beiden Schwestern. Gemeinsam wollten sie die Hindernisse entfernen. Da sprang ein in Tarnuniform gekleideter Einheimischer aus dem Gebüsch, hielt sein Maschinengewehr in Anschlag und schrie: „Hände hoch! Ich werde euch alle erschießen!“ Er verlangte Geld. Pater Possenti sagte ihm, sie seien – wie er sehen könne – Missionare und hätten keine großen Beträge bei sich. Wenn er aber mitkomme, auf die Station, wolle er ihm Geld geben. Da schrie der Mann von neuem: „Geld her!“ und fügte dann hinzu: „Alle Missionare sind Feinde des Volkes!“ Es klang nach marxistischen Parolen. Dann zielte er auf Bischof Schmitt und schoss ihn nieder. Schwester Francis, die sich um ihn kümmern wollte, wurde gleichfalls erschossen. Dann eröffnete der „Freischärler“ das Feuer abermals und erschoss Pater Possenti, der ein wenig abseits am Wegesrand stand. Schwester Ermenfried überlebte den Überfall, wenngleich mit schweren Verwundungen; sie hatte unter dem Auto Schutz gesucht. Ein Einheimischer, der später des Weges kam, lud die Verwundete auf und brachte sie nach St. Luke’s. Dort alarmierte man sofort die Polizei. Dr. Hanna Davis-Ziegler fuhr zusammen mit dem Missionshelfer John Jakob und einem Bauarbeiter zur Unfallstelle, während Dr. K. Fleischer sich um Schwester Ermenfried kümmerte. Sie konnte nur noch den Tod der drei Missionare feststellen. Sie waren über und über mit Kugeln durchlöchert worden und wohl sofort tot.
Mit Bischof Schmitt, unter dem Pater Possenti 25 Jahre lang gearbeitet hatte, verbanden ihn sehr freundschaftliche Beziehungen. Er zählte zu seinen offiziellen Beratern. Kein Wunder, dass sich der Alt-Bischof, der 1974 aus Gesundheitsgründen resigniert hatte, auf die von Pater Possenti geleitete Missionsstation Regina Mundi zurückzog, wo er als einfacher Missionar wirkte und sich vor allem der einheimischen Schwestern annahm. Dass ihm und den anderen Missionaren sein Mörder vorwarf: „Ihr seid Feinde des Volkes!“, konnte Pater Possenti so wenig verstehen wie jene, die ihn kannten. Denn er hatte immer Zeit für die Afrikaner; er predigte nicht nur Liebe, sondern praktizierte sie auch.
Erklären lässt sich das Verhalten des „Freischärler“ – es war zur Zeit des Busch- und Bürgerkriegs in Rhodesien! – vermutlich nur mit dem allgemeinen Hass vieler Einheimischer auf alle Weißen, die sie schlechthin als Ausbeuter ihres Landes betrachteten. Der Hass auf die regierende weiße Minderheit übertrug sich, so schien es, auch auf jene, die nie etwas anderes verkündet hatten als Liebe und Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden.
43 Jahre lang hatte Pater Possenti für die Einheimischen gewirkt. Als man von seinem grausamen Tod erfuhr, meldeten sich viele, um ihre Entrüstung zum Ausdruck zu geben. Patrick Ngulube Mandaza, damals Student am Plater College in Oxford, schrieb: „Ich bin entsetzt über die Ermordung der drei Missionare. Es war eine schamlose Tat. Wer immer sie begangen hat, kann nicht beanspruchen, im Interesse der einfachen Leute von Simbabwe gehandelt zu haben. Denn diese Missionare waren bekannt als Vorkämpfer für Frieden und Gerechtigkeit (…) – Ich bin sehr unglücklich und ich fühle mich im Stich gelassen (…).“ Pater Johannes Banning schrieb wenige Wochen nach dem tragischen Unfall: „Unsere Einheimischen kamen weinend, den ganzen Morgen über, um uns zu zeigen, wie sehr sie um die Ermordeten trauern. Sie können es kaum glauben (…).“
Die Beileidsbekundungen hielten an – auch über den Tag der Beerdigung hinaus. Pater Possenti wurde – zusammen mit Bischof Schmitt und Schwester Francis – am 13. Dezember 1976 auf dem Friedhof zu Bulawayo beigesetzt. Anwesend waren alle Bischöfe des Landes, zahlreiche Priester und Ordensleute und mehrere tausend Gläubige. Sie alle waren sehr nachdenklich geworden. Vielleicht spürten auch sie, was Albert Schweitzer, der berühmte Urwalddoktor von Lambarene, einst so formuliert hatte: „Wer sich vornimmt, Gutes zu wirken, darf nicht erwarten, dass die Menschen ihm deswegen die Steine aus dem Weg räumen. Er muss vielmehr auf das Schicksalhafte gefasst sein, dass sie ihm welche draufrollen.“
Schreiben vom damaligen Generalsuperior Pater Pius Rudloff am 14. Dezember 1976 anlässlich der Ermordung der Mariannhiller Schwester und Brüder
Der gewaltsame Tod unserer Missionare in Rhodesien – Bischof Adolf Gregor Schmitt, Pater Possenti Anton Weggartner und Schwester Maria-Francis van den Berg – hat weltweite Reaktionen hervorgerufen.
Von dem Vorfall selbst haben wir Ihnen berichtet. Wir glauben, es Ihnen schuldig zu sein, Ihnen das Wenige, das wir bis heute mit Sicherheit wissen, mitteilen zu sollen. Von den gestrigen (13. Dezember 1976) Beerdigungsfeierlichkeiten in Bulawayo stehen uns noch keine Berichte zur Verfügung. Nachrufe sind bereits in der Redaktion der CMM News und FN in Vorbereitung. Dennoch wird Sie auch das Wenige interessieren:
Die Anteilnahme an diesem schweren Unglück und harten Verlust war ungewöhnlich in ihrer Weite und Tiefe. Nur zwei Beispiele seien erwähnt:
Unser Hl. Vater Papst Paul VI. ließ am 7. Dezember 1976 durch seinen Staatssekretär, Kardinal Villot, folgendes Telegramm an Pater Generalsuperior Pius Rudloff richten:
Der Heilige Vater hat die traurige Nachricht von der grausamen Ermordung von Monsignor Adolf Gregor Schmitt, dem früheren Bischof von Bulawayo, erfahren. Er legt Fürbitte ein für die Seele dieses eifrigen Missionars und fleht zu Gott, dass jede Gewalttätigkeit in dem Land, in dem er seelsorglich tätig war, ein Ende nehmen möge. Er drückt dieser Ordensfamilie sein lebhaftestes Beileid zum schweren Verlust aus und erteilt allen Mitbrüdern, sowie allen, die den Heimgegangenen betrauern, von Herzen seinen besonderen Apostolischen Segen als christlichen Trost und als Stärkung.
(Kardinal Villot)
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal J. Höffner in Köln, brachte dem Vorsitzenden der Rhodesianischen Bischofskonferenz, unserem Bischof Henry Karlen in Bulawayo, „seine große Erschütterung“ zum Ausdruck über die Ermordung unserer beiden Mitbrüder und Schwester M. Francis. In seinem Brief an Bischof Karlen stellt Kardinal Höffner fest, „dass gerade diejenigen jetzt ein Opfer sinnloser Gewalt würden, die sich immer sehr nachhaltig für eine an den Prinzipien der Gerechtigkeit und Liebe orientierte gewaltlose Lösung des Konfliktes (in Rhodesien) eingesetzt hätten“. Die Deutsche Bischofskonferenz fühle sich der Kirche in Rhodesien solidarisch verbunden bei dem Bemühen, „weiterhin für die Verwirklichung der Gerechtigkeit für alle Menschen einzutreten“.
(Fränkisches Volksblatt, 10. Dezember 1976)
Von den vielen Totenfeiern seien nur drei genannt:
Am 13. Dezember 1976, am Begräbnistag, feierte Kardinal Rossi, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, in Konzelebration mit Erzbischof Lourdusamy, Sekretär dieses Dikasteriums, Pater General und Pater Martin Boelens, in Anwesenheit von Mitgliedern der ‚Propaganda‘ und der CPS und CMM Generalate ein feierliches Requiem in der Kapelle der ‚Propaganda‘.
Das Katholische Institut für Internationale Beziehungen, das in England für die Rhodesianische Kommission für Gerechtigkeit und Frieden handelt, hat für Bischof Schmitt und seine Begleiter und alle, die in letzter Zeit in Rhodesien getötet worden waren, ein Requiem angesetzt. Diese hl. Messe findet am Freitag, den 17. Dezember 1976 um 19.30 Uhr in der Sankt James Kirche am Spanischen Platz in London, W 1, statt.
(Catholic Herald, London, December 10, 1976)
Am Abend des 11. Dezember hielt Pater Generalsuperior, der zufällig auf der Durchreise von Holland in Würzburg weilte, in Konzelebration mit Mitbrüdern und Weltgeistlichen, in der Piusseminarkirche ein feierliches Totengedenken, unter außergewöhnlich starker Teilnahme der Bevölkerung aus Würzburg und Umgebung. Viele Freunde und Verwandte des verewigten Bischofs Schmitt und drei Brüder unseres Pater Possenti Weggartner waren dabei anwesend.
Für Mitbrüder, die unsere teueren Toten nicht näher kannten, geben wir folgenden Auszug aus der Predigt des Pater Provinzials Dietmar Seubert bei diesem Requiem:
„Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe.“ (Joh 10,11)
Dieses Wort Jesu im Johannesevangelium drängte sich uns unwillkürlich auf, als wir am Abend des 5. Dezember 1976 die schreckliche Nachricht von der Ermordung unserer Missionare in Rhodesien erhielten. In den entscheidenden Stunden des Ringens um die politische Zukunft Rhodesiens wollten sie bei ihrer Herde, der sie so lange selbstlos gedient hatten, bleiben. „Ich bin geblieben, weil ich den Eindruck habe, dass man mich braucht. Ich bin auch deshalb geblieben, um meinen Mitbrüdern zu zeigen, dass ich nicht einfach weggehe, weil nun ein neuer Bischof gekommen ist, … und ich will jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass ich das Land verlasse, da sich die Schwierigkeiten mehren. Ich werde so lange in Rhodesien bleiben, solange ich bleiben darf, denn es ist mir praktisch zur zweiten Heimat geworden.“ (Altbischof Schmitt)
Der junge Pater Adolf Schmitt, geboren zu Rimpar bei Würzburg am 20. April 1905, war kurz nach seiner Priesterweihe 1931 in die Rhodesienmission gekommen. Hier hatte er die harten Anfangsjahre des eben erst neu von den Mariannhiller Missionaren übernommenen Missionsgebietes im Südwesten Rhodesiens mitzutragen. Diese Zeit blieb ihm unvergesslich. Krankheitshalber kehrte er nach einigen Jahren wieder in die Heimat zurück und widmete sich hier der Ausbildung des Priester- und Ordensnachwuchses, bis ihn der Ruf seiner Obern 1938 in die USA holte. Dort eröffnete er ein Missionsseminar und leitete später die Mariannhiller Niederlassungen in den USA und in Kanada als Provinzial. Im Dezember 1950 erhielt er die Ernennung zum Bischof von Bulawayo in Rhodesien. 23 Jahre führte Bischof Schmitt seine Missionsdiözese mit Umsicht und Weitblick. Um den einheimischen Ordensnachwuchs zu fördern, gründete er eine eigene Kongregation für Schwestern. Mit der Weihe des ersten Ndebelepriesters 1958 begann der einheimische Klerus zu wachsen. 1974 legte Bischof Schmitt sein nicht leichtes Amt in jüngere Hände. Jetzt wollte und konnte er sich ganz der spirituellen und organisatorischen Formung seiner einheimischen Schwesternkongregation zur Verfügung stellen. Erst am 21. November 1976 war Altbischof Schmitt aus einem Heimaturlaub anlässlich seines 25jährigen Bischofsjubiläums nach Rhodesien zurückgekehrt.
Auch Pater Possenti Anton Weggartner, geboren am 23. Mai 1907 zu Pelkering, Niederbayern, gehört zu den Missionaren der ersten Stunde der jungen Mission im Südwesten Rhodesiens. Bald nach seiner Priesterweihe 1933 kam er ins Land. Ihm wurde als Tätigkeitsbereich die Aufsicht über die Schulen des Missionsgebietes übertragen. 1939, kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, ging Pater Possenti zum Studium nach England, das er mit dem Erwerb eines Lehrerdiploms abschloss. Das Kriegsgeschehen verwehrte ihm jedoch die sofortige Rückkehr nach Rhodesien. Erst nach Kriegsende konnte er dort seine Tätigkeit wieder aufnehmen. Auf der großen Station Empandeni im äußersten Westen Rhodesiens baute er nun das Schulwesen aus. Auf seine Initiative geht die Gründung einer Maurer- und Zimmerer-Ausbildungsstätte, einer Haushaltungsschule, einer höheren Schule und eines Lehrerseminars zurück. 1962 übernahm Pater Possenti die Missionsstation „Regina Mundi“. Hier ist ein heute blühendes Mädchengymnasium sein Werk. Hunderte von Akademikern gingen bei ihm in die Schule, zu denen er auch nach deren Abgang von der Schule gute Kontakte pflegte. Eine Reihe von ihnen, die heute zur Elite der Politiker gehören, waren seine Schüler.
Schwester Maria-Francis van den Berg, geboren am 27. Juni 1935 zu Köln-Brück, kam 1959, ein Jahr nach Ablegung ihrer Ersten Profess, nach Bulawayo. Zunächst vervollständigte sie in der Stadt ihre Lehrerausbildung. Anschließend war Schwester Maria-Francis auf verschiedenen Missionsstationen in der Erziehung der afrikanischen Mädchenjugend tätig. Seit sechs Jahren arbeitete sie auf der Missionsstation Regina Mundi mit Pater Possenti Weggartner zusammen.
In der Tat – Rhodesien ist für Altbischof Schmitt und für die beiden anderen Missionare zur Heimat geworden. Sie wurden in rhodesianischer Erde zur Ruhe gebettet. Möge ihr jäher Tod aber auch all denen eine Mahnung sein, die noch lernen müssen, dass Friede und Freiheit nicht mit Gewalt erzwungen werden können.
(Pater Dietmar Seubert am 11. Dezember 1976)
In Anbetracht der gespannten politischen Situation in Rhodesien und der zähen Verhandlungen der Rhodesienkonferenz in Genf war die Bluttat vom 5. Dezember für Presse, Rundfunk und Fernsehen eine Neuigkeit und Sensation erster Größe.
Wie befürchtet, kam es dabei auch zu Falschmeldungen und Fehlinterpretationen. Man erwartete daher eine klare Stellungnahme von Seiten der Ordensleitung. Pater General gab notgedrungen folgende Presseerklärung heraus, die allen deutschen katholischen Pressestellen zugeschickt wurde:
„Der gewaltsame Tod der drei Mariannhiller Missionare (Bischof Adolf G. Schmitt, Pater Possenti A. Weggartner und Schwester Maria-Francis van den Berg) hat in der gesamten Weltpresse ein starkes Echo gefunden. Dabei kam es leider zu Fehlinformationen und Fehlinterpretationen bei der Darstellung der Ereignisse. Als Generalsuperior der Mariannhiller Missionare erkläre ich – dies auch im Namen meiner Mitbrüder, die in vier Erdteilen wirken – folgendes:
Wir verurteilen aufs Schärfste den Mord an den drei Missionaren. Wir sind der Meinung, dass man auch in einem Lande wie Rhodesien nicht mit Gewalt und Gewehren, sondern mit friedlichen Mitteln eine Lösung der sehr heiklen politischen Probleme suchen muss.
Wir treten für die Freiheit und Menschenwürde aller in Rhodesien lebenden Menschen ein, egal welche Hautfarbe sie haben. Wir sind gegen jede Art von Rassendiskriminierung.
Wir beschuldigen keine der beiden Parteien, die gegenwärtig in Genf um eine gerechte und friedliche Regelung der schwierigen Probleme ihres Landes ringen, an dem Mord direkt oder indirekt beteiligt gewesen zu sein. Die Missionsarbeit in Rhodesien erfreute sich des Wohlwollens und der Unterstützung der bisherigen Regierungen. Ebenso haben sich die einheimischen Nationalistenführer den Missionaren gegenüber stets freundlich und zuvorkommend gezeigt. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass ihnen auch in Zukunft daran gelegen sein wird, mit den Vertretern der christlichen Kirchen gute Beziehungen zu pflegen. Viele Prominente der sechs Millionen Afrikaner in Rhodesien wurden in Missionsschulen ausgebildet, auch in denen, die wir Mariannhiller Missionare unterhalten. Wir vertrauen darauf, dass sie sich bei ihrem Handeln von christlichen Prinzipien leiten lassen und für eine gerechte und menschenwürdige Lösung der Rhodesienfrage eintreten.
Auch nach dem gewaltsamen Tod unserer beiden Missionare und unserer Missionsschwester werden wir uns nicht dazu verleiten lassen, Vorurteile zu schüren oder gar die Mission nicht länger mehr zu unterstützen.
Wir Mariannhiller Missionare bitten daher alle unsere Freunde und Wohltäter, jetzt erst recht für die Missionare zu beten und zu opfern, denn noch nie brauchten unsere Patres, Brüder und Schwestern die Hilfe und das Gebet der Heimat dringender als in dieser Stunde.“
Pater Pius Rudloff CMM
Generalsuperior der Mariannhiller Missionare
Heute gab Radio Vatikan bekannt, dass bei den Trauerfeierlichkeiten anlässlich der Beerdigung unserer Toten gestern viele Tausende aus allen Volksschichten in Bulawayo teilgenommen hätten. Die nächste Ausgabe der CMM News wird ausführlicher darüber berichten können.
Dass wir mit unseren Mitbrüdern in Bulawayo in Trauer wie in Sorge verbunden sind, soll Ihnen nicht nur gesagt und geschrieben sein. Unser Gebet für Ihre persönliche Sicherheit und Ihr Wohlergehen, wie auch für die friedliche Lösung der Rhodesienprobleme, soll Ihnen sicher sein.
Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen von allen im Generalate verbleibe ich Ihr in Christo ergebener
P. Pius Rudloff CMM
Generalsuperior