Predigt von Abt Franz Pfanner am 15. August 1880
Der Marienverehrer
Predigt von Pater Franz Pfanner am 15. August 1880 in Dunbrody, Südafrika, kurz nach der Ankunft am 29. Juli 1880
(Generalatsarchiv Heilig Blut)
Originaltext
„Gloriosa dicta sunt de te“. (Glorreiches wird von dir gesagt)
(Ps. 86)
Meine lieben Väter und Brüder!
Sie wissen, was wir heute für ein Fest feiern. Wir feiern im Verlauf des Jahres viele Marienfeste. Heute betrachten wir Maria als unsere Patronin und Advokatin oder als unsere Schutzfrau und Sachwalterin. Maria sagte in prophetischem Geiste von sich: „Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.“ Heute erfüllen wir ein Stück dieser Prophezeiung. Wir preisen heute Maria selig in dieser Einöde, die man passend „Maria in deserto“ heißen könnte. Wir verherrlichen Maria heute an der entferntesten Spitze des Kontinents, also am äußersten Punkte der bewohnten Welt. Ich will versuchen, ob es mir gelingen wird, Ihnen, meine Brüder, recht fasslich darzustellen, welch mächtige und einflussreiche Rechtsanwältin und Schutzfrau Maria ist. Das werden wir von zwei Seiten her erkennen: 1. aus ihrer hohen Stellung in diesem Leben; 2. aus ihrer hohen Stellung im Himmel.
Nos cum prole pia benedicat Virgo Maria!
1. Die Stellung, welche hier auf Erden ein Mensch Gott gegenüber einnimmt, wird beurteilt oder taxiert nach dem Grade der reinen Liebe, somit nach der Reinheit der Meinung oder der Absicht, womit sein Tun und Lassen, seine Gedanken, Worte und Werke begleitet sind. Und ist es ein Ordensmann, so richtet sich der Grad seiner Vollkommenheit nach der Reinheit und Einfalt seines Gehorsams. Je einfältiger sein Gehorsam, je geläuterter von Nebenabsichten, desto reiner seine Liebe und desto höher seine irdische Stellung vor Gott. Also nicht nach den Erfolgen wird unser Wirken geschätzt. Ob wir z. B. 10 oder 100 Hottentotten bekehren werden, danach richtet sich nicht unser Verdienst. Christus selbst hat nicht viele auf seine Seite gebracht, und die Bekehrten waren meistens dem geringen Stande angehörend. Von den Großen und Königen dieser Welt, hat Er, der die Herzen der Menschen in der Hand hat und wie Wasserbäche leitet, gar keinen einzigen herübergebracht. Und von den Schriftgelehrten und Ältesten nur zwei: Joseph von Arimathäa und Nikodemus. Er vermochte meistens nur Fischer, Zöllner und Frauen zur Sinnesänderung zu bringen.
Unsere Stellung zu Gott richtet sich allein nach der Reinheit unserer Absichten und nach der Einfalt unseres klösterlichen Gehorsams. Ob wir glänzende äußere Erfolge haben werden; ob es uns gelingen wird, mit unserer großartigen Pumpe die Bewässerung zu ermöglichen, Weinberge, Baumpflanzungen, Gärten und Wiesen anzulegen; ob wir etwas ausrichten mit dem Waisenhause, ob wir Kranke kurieren werden, das alles hat auf unsere irdische Einstellung zu Gott gar keinen Einfluss.
Nun war aber Maria stets von der reinsten Meinung geleitet, somit von ganz reiner Liebe beseelt bei all ihrem Tun und Lassen. Es hat nie in ihrem Leben einen Augenblick gegeben, wo ihr Handeln von Eigenliebe, überhaupt von einem unreinen Beweggrunde befleckt war. Ihr begegnete das nicht, was uns elenden Menschenkindern alle Stunden zustößt, dass wir von unedlen oder selbstsüchtigen Motiven getrieben werden. Wie oft aber tritt bei uns der Fall ein, dass auch die Vollkommeneren, wenn sie auch mit ganz reiner Absicht eine Handlung begonnen, doch im Laufe derselben unedle Beweggründe einschleichen lassen. Wie hoch muss also, nach dieser Reinheit der Meinung und Liebe beurteilt, die Stellung Mariens zu Gott in diesem irdischen Leben gewesen sein!
Was aber die hohe Stellung Marias noch unendlich steigerte, war die unerhörte hohe Würde, wozu Gott Maria aus reiner Gnade erhob. Schon viele Mütter gab es von Eva an bis heute, auch sehr heilige. Aber außer Maria gab es noch keine Mutter Gottes. Schon viele Bräute, auch heilige, wandelten durch dieses irdische Leben. Aber eine Braut des Heiligen Geistes, wie Maria, gab es noch nie.
Dass Maria unbefleckt empfangen wurde, ist nicht ihr Verdienst, sondern reine Gnade. Aber dass sie diese Gnade unbefleckt bewahrte, war ihre Tugend und ihr persönliches Verdienst. Und diese Gnade der Unbeflecktheit bewahrte sie mit der Unbeflecktheit ihrer Liebe.
Ihre unerhört hohe Stellung in diesem Leben basiert also auf ihrer reinen Liebe; also auf ihrer persönlichen Tugend einerseits, und andererseits auf ihrer unaussprechlich hohen Würde.
Welchen Einfluss muss somit Maria als unsere Schutzfrau und Rechtsanwältin haben bei Gott dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geiste! Dieser Einfluss ihrer Macht oder ihrer Machtstellung erhöht sich noch, wenn wir ihre jetzige Stellung im Himmel erwägen.
2. Wenn wir uns den Himmel vorstellen unter dem Bilde einer großen Stadt und von einem himmlischen Jerusalem oder von einer Stadt Gottes reden, so klingt das gar nicht fremdländisch, sondern es ist dies die Sprache der Hl. Schrift und unserer Mutter der Kirche. Und der Herr selbst sagt, dass dort viele Wohnungen sich befinden. Und was sind denn das für Wohnungen? Ich glaube, es sind lauter Wohnungen, welche die Heiligen in diesem Leben errichtet und ins Leben gerufen haben. Oder solche, welche nach ihrem Scheiden aus diesem Leben ihnen zu Ehren hier errichtet worden sind und noch errichtet werden. Es sind also, um es mit zwei Worten zu sagen, lauter Wohnungen, die hier auf Erden aus „reiner Absicht“, somit auch aus „reinster Liebe“ zu Ehre Gottes erbaut wurden (ex auro purissimo), z. B. Kirchen, Spitäler, Klöster, Wohltätigkeitsinstitute aller Art. Nicht aber Gebäude, welche nur weltlichen Zwecken dienen, weltlichen Interessen oder sogar Passionen Vorschub leisten sollen, die bloß Fleisch und Blut eingegeben haben, z. B. weltliche Fürstenburgen und Schlösser behufs weltlicher Pracht und weltlichen Pomps und weltlicher Macht, Theater, Hotels, Vergnügungshäuser und Kasinos weltlicher Interessen. Wohnungen letzterer Art sind von den Heiligen hier auf Erden nie erbaut worden, und können auch nach ihrem Tode zu ihrer Verehrung nicht errichtet werden. Dort oben, in dieser immensen Stadt Gottes wird somit der hl. Benedikt die 12 Klöster wiederfinden, die er in Subiaco und Monte Cassino erbaut. Der hl. Bernhard wird wieder antreffen die 150 Klöster, die er schon bei Lebzeiten gegründet. Der hl. Franz von Assisi wird wiedererkennen die hunderte von Klöstern, und der hl. Vincenz v. Paul die vielen Wohltätigkeitsanstalten, denen er Namen und Bestand gegeben. Jeder Heilige wird aber auch in der himmlischen Stadt alles das antreffen, was ihm zu Ehren nach seinem Tode von seinen Verehrern, Kindern und Freunden geweiht wurde.
Nun frage ich aber: wem zur Ehre wurde, seit die Kirche auf Erden den Anfang genommen, mehr geweiht, geopfert, geschenkt; wem zur Ehre mehr gebaut, errichtet, gestiftet, als Maria? Und warum ihr? Wegen ihrer hohen Stellung, die sie schon hier auf Erden eingenommen hat unter allen Heiligen. Wem zur Ehre wurden mehr Kirchen, Klöster, Altäre, Spitäler, Missions- und Lehranstalten, Tempel und Kapellen, Wallfahrts- und Zufluchtsorte erbaut, als ihr? Wem mehr Bildsäulen und Statuen errichtet, mehr Gemälde und Bilder verfertigt, als ihr? Gassen, ja ganze Dörfer und Städte wurden ihr zu Ehren geweiht.
Dieses alles wird in der Stadt dort oben prangen, eingeteilt in unzählige Gassen und Gässchen. Es gibt ja keine Stadt und kein Dorf und keine Kirche und kein Institut auf katholischem Boden, in denen es nicht mehr oder weniger Monumente zur Ehre und Verherrlichung Mariens gibt. Und der Marienkult übertrifft den eines jeden anderen Heiligen um so mehr, als ihre Stellung auf Erden die eines jeden anderen überragte.
Es gibt Heilige, deren Kult in irgend einem Erdteile zwar sehr groß, der aber an anderen Orten fast unbekannt ist, z. B. der in Rom so populäre Philipp Neri ist an anderen Orten fast ganz unbekannt. Aber die Marienverehrung ist in der ganzen katholischen Welt bekannt.
„Gloriosa dicta sunt de te, Maria”. Rühmliches ist von dir gesagt, o Maria! Welch hohe Stellung verschafft dieses aber Maria? Denken wir uns alles das, was von Anbeginn der Kirche zur Ehre Mariens getan wurde und was man jetzt tut und was noch in Zukunft geschehen wird, was noch bis ans Ende der Welt ihr zu Ehren gebaut, errichtet, gestiftet, geziert, gemalt, gemeißelt und geschnitzt wird… Denken wir uns dieses alles in das himmlische Jerusalem versetzt und fragen wir uns, ob das nicht eine Stadt abgeben wird mit vielen Gassen und Palästen, Bildsäulen und Monumenten, dass man diese „civitas Dei“, diese „Stadt Gottes“, „Stadt Mariens“ (civitas Mariae) heißen kann? Wahrhaftig „Ruhmvolles ist von dir gesagt, Stadt Mariens!“ und dieses Ruhmvolle und Herrliche nimmt noch alle Tage zu bis zum Ende der Zeiten.
Es mag dieses wunderbar oder sonderbar klingen; doch jedermann wird es natürlich finden, wenn er erwägt, dass die Generalrechnung mit den Heiligen noch nicht abgeschlossen ist. Für die Guten wie für die Bösen findet sie ihren Abschluss erst am „allgemeinen Abrechnungstage“ – am Jüngsten Tage. Bis dahin liegt ihr großes Kapital auf Zinsen. Dort werden nun alle Tage alle Zinsen zum Kapital geschlagen. Das Gute, das sie gestiftet, wird fortwuchern bei den künftigen Geschlechtern, und auch die „Wucherzinsen“ werden mit dem Kapital verschmolzen. Soll es mit dem Guten denn nicht ergehen wie mit dem Bösen? Die Verleumdung z. B., die jemand ausgestreut und nicht widerrufen und gutgemacht, wird nach dem Tode des Urhebers fortwuchern. Die Ketzerei oder Freimaurerei wird immer neue Ableger machen, so oft eine neue ketzerische Gemeinde oder Freimaurerloge sich bildet. Aber auch jedesmal wird der Urheber derselben in der Hölle von einem neuen, noch grimmigeren Wurm gebissen, von noch wütigerem Feuer gebrannt. Und was ihm zu Ehren nach seinem Tode durch seine Anhänger geschieht, dient ihm zur Verdopplung seiner Höllenpein.
So steigert jeder Akt der Verehrung von seiten der Guten das Ansehen der Muttergottes, sowie jedes Heiligen im Himmel.
Müssen wir da nicht mit dem Psalmisten voll Erstaunen ausrufen: „Gloriosa dicta sunt de te, civitas Mariae!“ Wie wunderschön ist diese Stadt, und wie wunderbar Maria selbst in ihrer Stellung! Wer schon Karlsruhe gesehen hat, der weiß, dass diese Stadt eigenartig gebaut ist. Mitten im Zentrum steht das großherzogliche Schloss, die Residenz. Von diesem Mittelpunkt aus gehen alle Gassen fächerartig hinaus und verlieren sich dann in schattigen Alleen, englischen Anlagen und Lusthainen. In der Stadt Gottes, die auch „Stadt Mariens“ heißen kann, steht im Mittelpunkt und überragt alle Paläste und Wohnungen, die Wohnung Mariä, „das goldene Haus“.
Dieses goldene Haus ist auch die Himmelspforte, durch die man erst in die fächerartigen, unbegrenzten Gassen und endlosen Straßen der himmlischen Stadt Einlass findet. Und fragen wir: Wer sind denn die, welche in dieser Stadt und deren Wohnungen Einlass fanden und darin wohnen, so kann die Beantwortung dieser Frage meinen Satz nur bekräftigen, dass die Stellung Mariens im Himmel eine unbegreiflich hohe ist. Denn die Bewohner dieser Stadt sind lauter Diener und Dienerinnen Mariens, und zwar vom höchsten angefangen bis zum niedrigsten.
Nun taxiert man schon im gewöhnlichen Leben die Größe und Hoheit einer Herrschaft nach der Anzahl und Vornehmheit ihrer Dienerschaft. Eine bürgerliche Herrschaft hat vielleicht nur einen Diener; ein gräfliches Haus hat meistens schon mehrere. Der Vertreter eines großen Potentaten (Machthabers) lässt im Orient nicht bloß einen Kavars (Ritter), sondern zwei bis drei beim öffentlichen Erscheinen vor sich einherschreiten. Wieviel Diener hat ein Fürst, ein Kaiser? Und welch große Herren sind solche Diener oder Minister! Und wie einflussreich! In der Hand eines einzigen solchen Ministers liegt oft das Los eines ganzen Reiches, sogar eines Weltteiles. Auch die Inhaber geringerer Ämter, z. B. Oberhofstallmeister, sind schon große Herren, feine Diener. Fragt man hingegen bei einem Bauern, und sei es ein vermögender Mann, nach seinem Hofstallmeister, so wird er dem Fragenden einen übelriechenden, nicht gar zu sauber gewaschenen Kuhjungen zeigen.
Aber was sind das für Diener, die Maria im Himmel um sich hat? Es sind darunter auch solche mit höchsten Würden, Päpste und Kaiser, Gelehrte und Fürsten. Diese alle sind zusammen mit den geringeren Dienern. Mit einem Worte: es ist noch nie jemand in den Himmel eingelassen worden, weder ein Kaiser noch eine Königin, die nicht Diener Mariens waren. Maria ist ja die Herrin oder Königin aller Heiligen des alten und neuen Bundes. Nicht nur die Jungfrauen folgen ihr im Himmel als Schleppenträgerinnen (adduccentur virgines post eam) (es folgen ihr Jungfrauen als Geleit, Ps. 44), sondern auch alle Reichen des Landes, (omnes divites plebis, Ps. 44), (die Reichen all im Volke). Alle Bekenner und Märtyrer bewundern ihr holdes Antlitz (vultum ejus deprecabuntur). O ja, sogar die Apostel samt den Patriarchen und Propheten erkennen sie an als ihre Königin. Diese alle bilden die große Zunft der Hofdiener und Hofdienerinnen Mariens und steigen hinauf zu dem goldenen Hause der Stadt Gottes (illuc ascenderunt tribus, tribus Domini, Ps. 121).
Unter diesen sind auch alle Nationalitäten (omnes generationes) vertreten. „Ecce alienigenae, et Tyrus, et populus Aethiopum, hic fuerunt illic“, (Ps. 86) d. h. auch die von fremden Weltteilen, darunter die Bewohner von Tyrus, also die weiße und braune Rasse. Aber auch das Volk von Äthiopien, also die Schwarzen Afrikas. Diese alle sind dort unter den Dienern Mariens vertreten. Der Herr wird einmal die Zahl und Namen der Völker und Fürsten aus seinem Notizbuch veröffentlichen, die sich unter seinen Auserlesenen befinden („Dominus narrabit in scripturis populorum, et principum: horum, qui fuerunt in ea“ Ps. 86). „Zählen wird der Herr bei der Aufzeichnung der Völker und Fürsten die, so in ihr geboren.“ Mit einem Worte: Die Wohnung aller Seligen ist bei dir, o Maria! „Sicut laetantium omnium nostrum habitatio est in te“. „Wie Frohlockende, so wohnen alle mit dir, heilige Gottesmutter.“ Es kann das auch gar nicht anders sein; denn Mariens Prophezeiung muss erfüllt werden: „Ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes.“ Der Satz bleibt somit fest: Maria hatte schon auf dieser Welt die höchste Stellung. Maria nimmt aber auch im Himmel die höchste Stellung ein. Der Schluss ist nun leicht: Maria ist unsere mächtigste Schutzfrau und Sachverwalterin.
Doch das genügt für uns noch nicht, dass sie großen Einfluss hat; sie muss uns auch günstig gestimmt sein. Mancher Advokat hat großen Einfluss, dazu auch noch großes Wissen, ist aber vielleicht uns und unserer Rechtssache doch nicht günstig gesinnt.
Wie wird Maria uns günstig gesinnt werden und sich unser tapfer annehmen, wenn wir sie für uns zu gewinnen suchen, vorausgesetzt, dass unsere Sache eine gute ist. Das ist ja auch der Fall mit weltlichen Rechtsanwälten, um wieviel mehr erst in Gnadensachen. Die Wilden machen es sogar so: wenn sie von jemanden, von ihrem König oder einem Missionär, recht große Geschenke und ihre Gunst erwerben wollen, so bringen sie selbst auch Geschenke dar. Selbst die Advokaten bedienen Klienten prompter und kräftiger, die ihnen mit reichlichen Anerbietungen entgegen kommen.
Bringen wir darum unserer Patronin und Advokatin recht vieles dar: unsere Felder und Wälder, unsere Quellen und Bäche, Gärten und Wiesen, ganz Dunbrody und uns selbst. Und zur Sicherheit wollen wir alle diese Besitzungen Maria heute brieflich verschreiben und verbuchen, ja, mit ihrem Namen das Klostergut bezeichnen.
Es soll dieses Verbriefungsbuch mit den Mariennamen stets im Kloster zum ewigen Andenken aufbewahrt bleiben.
Wir aber werfen uns vor ihrem Bildnis nieder und machen folgende Angelobung: „O meine Herrin, o meine Mutter, o meine Patronin und Sachwalterin! Ich empfehle mich dir ganz. Und um dir meine Ergebenheit zu beweisen, opfere ich dir meine Augen, meine Ohren, meinen Mund, mein Herz und mich ganz und gar. Weil ich also dein bin, o gute Mutter, erhalte mich und verteidige mich als deine Sache und deinen Besitz. Lass zu, mildeste Gottesgebärerin, unsere Bitten; lass sie kommen in Dein Heiligtum und erhöre sie und bringe uns zurück als Gegengabe die Versöhnung. Durch dich möge Entschuldigung uns zuteil werden für das, was wir durch dich vorbringen. Durch dich möge erwirkt werden, was wir mit treuem Sinn verlangen. Nimm an, was wir dir darbringen: die Berge und Hügel, alles, was auf Erden sprosst und keimt, die Wälder und Bäume, die Quellen und Flüsse und alles, was in ihnen sich regt und bewegt; die Felder, das Getreide und Gras, die Gärten mit den Pflanzen und Blumen, die Ställe mit den Schafen und Ochsen, die Scheuern mit ihrem Inhalt; die Häuser und Zimmer samt ihren Insassen. Nimm an auch mich und mein Herz ganz und gar. Nimm an, was wir dir weihen, und schenke uns dafür das, was wir von dir erbitten. Bewahre uns vor dem, was wir fürchten. Deshalb entsage ich allem. Ich will nichts Eigenes haben, nichts besitzen und nichts benützen ohne Wissen und Willen meines Obern. Ich will deshalb nicht einmal etwas „mein“ nennen. Nimm an, was wir dir heute weihen. Nimm auch mich selbst an. Erhalte und beschütze mich als deine Sache und dein Eigentum! Eher soll meine Zunge an meinem Gaumen erstarren, als dass ich vergessen will meiner heutigen Angelobung und meines heutigen Versprechens!
Es segne uns mit ihrem Kinde die Jungfrau Maria! Amen.
Benennung unseres Besitzes in Dunbrody:
Es soll heißen:
Mariaberg – der Kalkberg längs der großen Wiese,
Marienwiese – die große Niederung am Kalkberg,
Mariafeld – diesseits des White river vom Kloster bis zum Sonntagsfluss,
Mariaquelle – nördlich vom Kloster eine Viertelstunde entfernt,
Mariakaktus – in der Klosterumzäunung nord und östlich.
So geschehen und benannt am Vorabend von Mariä Himmelfahrt 1880
Pater Franz, Prior
Predigt von Abt Franz Pfanner am 15. August 1885
Mariä Himmelfahrt
Von Prior Franz Pfanner, 15. August 1885
Josephsblättchen No 6 pro 85
An diesem Tage denkt ein katholischer Christ an den Himmel und an das, was darin ist. „Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört und in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ St. Paul ist zwar dort gewesen, ja sogar im dritten Himmel. Er sagt, er habe Dinge gesehen, die auszusprechen keinem Menschen vergönnt sei (2. Kor. 12, 3-4). Das steigert wohl unsere Spannung, erhöht unsere Erwartung, aber nicht unsere Erkenntnis. Es war mit dem Geiste im Himmel der hl. Johannes, aber was er uns aus seiner Offenbarung vom Himmel sagt, ist ebenso unerklärlich. Weil wir Himmlisches nur mittels irdischer Gleichnisse verstehen können, so bedient er sich lauter Gleichnisse. Und weil damals Jerusalem als das Schönste menschlicher Sehenswürdigkeiten galt, so nennt er den Himmel eine „Stadt Gottes“ und heißt ihn „das himmlische Jerusalem“.
Johannes sagt im 21. Kapitel der Geheimen Offenbarung, dass diese Stadt im Quadrat gebaut ist, wovon die Länge und Breite und Höhe einander gleich sind. Um diese Stadt geht eine Mauer, groß und hoch, und diese Mauer hat 12 Fundamente und 12 Tore.
Die Stadt ist ähnlich einem kostbaren Steine gleich einem Kristall und bedarf keiner Beleuchtung, weder von der Sonne noch vom Mond; denn die Herrlichkeit Gottes erhellt sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Der hl. Johannes sah alles so klar, dass er die 12 Edelsteine sogar aufzählt, mit denen die Fundamente dieser Stadt geschmückt sind. Er sieht die Stadt in Gassen geteilt, die mit reinem Gold besetzt sind wie mit durchscheinendem Glase.
Nun ist es unsere Sache, diesen Himmel mit allen möglichen Farben auszumalen und mit allen möglichen Wunderdingen auszustatten. Um aber unserer Phantasie nachzuhelfen, weiß ich keinen passenderen Vergleich als eine große Weltausstellung. Eine solche kommt dadurch zustande, dass die Menschen aller Weltteile das Schönste und Beste, Künstlerischste und Ausgesuchteste, was sie mit ihrem Verstande ausdenken, mit ihren Händen verfertigen, mit ihrem Willen und all ihren Seelenkräften erzeugen können, zusammenbringen und es dann an dem Ausstellungsplatz in einem Glaspalaste zur Schau und Bewunderung ausstellen. Was der Menschengeist aussinnen und Menschenhände machen können, ist hier beisammen. Wer je ein solches Gebäude betreten hat, weiß, dass das Auge müde wird vom Sehen, das Ohr müde vom Hören, der Verstand müde vom Denken und die Nerven gelähmt durch die Aufregung. Schon beim ersten Schritt durch das Tor wird man von den ersten und nächstgelegenen Gegenständen hingerissen, man kommt nicht weiter. Man fällt von einer Verwunderung in die andere. Das Auge möchte alles verschlucken, der Verstand alles in sich hineinschütten, die Phantasie alles umfassen; doch das Menschenherz ist zu arm, das Maulwurfsauge desselben zu schwach, der Kopf zu klein, das Gehirn zu wässrig, um das alles in sich aufzunehmen, zu fassen, zu begreifen. Und sind es mehrere von einer Gesellschaft, die zusammen diesen Wunderort besuchen, so reißt einer den anderen in neues Staunen. Der eine läuft dahin und ruft dem anderen zu: „Komme doch hierher und staune über dieses Ding!“, während ihm der letztere zuruft: „Komme hierher und hilf mit staunen über diesen Artikel!“ Alle die Merkwürdigkeiten sind geordnet nach unabsehbaren Gassen und Plätzen, von unten bis in die höchsten Galerien und Stockwerke hinauf, und Tausende von Menschen sind da beschäftigt mit Schauen und Hören, mit Sinnen und Denken. Viele sind sprachlos geworden und gehen schweigend von Stelle zu Stelle. Viele erheben anfangs Ausrufe von „Oh!“ und „Ach!“, von „Unbegreiflich!“ und „Entsetzlich!“, bis auch sie müde und sprachlos werden wie die ersten. Man wird von Staunen wie berauscht und taumelt von einer Bewunderung in die andere.
Wenn du einen Stein in einen geschlossenen Korb legst und den Korb nach allen Richtungen drehst, fällt der Stein unaufhörlich in demselben von einer Seite auf die andere. So ergeht es dem Besucher im Glaspalaste einer Weltausstellung. Er fällt oder kugelt von einem Staunen ins andere. Und dieses Staunen wäre noch viel größer, wenn alle Menschen die ausgestellten Gegenstände kennten. Diese Dinge sind aber so neu und groß, so eigenartig und wundervoll, dass die Hälfte der Menschen nicht den zehnten Teil der Gegenstände erfasst. Wenn nicht auf vielen die Namen geschrieben wären, wüssten viele Besucher nicht einmal diese. Viele, ja Tausende treten vor die Gegenstände wie einstens die Israeliten beim Anblick des wunderbaren Manna mit der Frage: „Manhu?“ (Was ist das?) Sie sehen bloß, dass da unzählige Dinge aufgespeichert sind, aber was es ist, das wissen sie nicht. Aus welchem Stoff und wie und wozu diese Dinge gemacht sind, das wissen sie noch viel weniger. Nun aber erhebe dich von solch einer Weltausstellung hinauf in die himmlischen Regionen. Schwinge dich hinauf auf den Flügeln des Geistes und besehe die „Stadt Gottes“.
Bewundere zuerst die Einteilung dieser Stadt. Um einen recht hohen Begriff zu bekommen von der hohen Stellung oder Auszeichnung Mariens, denke ich mir als Gleichnis die Residenzstadt des Großherzogs von Baden, in dessen Mitte das königliche Schloss steht. Von diesem kann man in alle Gassen hinaussehen, weil alle fächerartig oder speicherartig vom Zentrum ausgehen und durch die eigentliche Stadt führen. Am Ende der Stadt verlaufen sich die Gassen in den englischen Park und in Lusthaine.
Denken wir uns so die himmlische Stadt Jerusalem. Vom Zentrum laufen aus alle Gassen und Straßen und im Mittelpunkt steht das „Goldene Haus“ auf sieben Säulen und hat zwölf Tore. Von einer Seite dieses „Goldenen Hauses“ laufen hinaus: die Engelstraße, Patriarchenstraße, Prophetenstraße und die der Apostel, Märtyrer, Bekenner und Jungfrauen; auf der anderen wollen wir uns die Gassen der verschiedenen Ordensleute denken. Um die ganze innere Stadt läuft die Ring- oder Rosenkranzstraße und in den Lusthainen verteilen sich die Kreisgassen aller geistlichen Kongregationen, aller Terziarier, Bruderschaften und katholischen Vereine.
Und was ist in diesen Gassen und Straßen zu sehen? Mit einem Worte: alles Schöne, alles Gute, alles Wunderbare, das alle guten Menschen und heiligen Seelen von Anbeginn der Welt vollbracht haben und noch tun werden und was zu ihrer Ehre noch getan wird. Das alles wird dort in jener Stadt Gottes, in jenen Gassen und Gässchen, in jenen Straßen und Plätzchen zur Schau ausgestellt sein. Die Himmelsbewohner haben nichts zu tun in alle Ewigkeit, als alle diese Herrlichkeiten zu sehen, von diesen Wundergeschichten und lieblichen Melodien des Gott dargebrachten Lobes zu vernehmen, mit Leib und Seele zu genießen, und zwar zu genießen mit ganzem Gemüte und allen Kräften. Der große Unterschied zwischen diesen himmlischen Genüssen und jenen in einer irdischen Weltausstellung ist dieser: In letzterer wird das Auge und Ohr und Herz müde, dort nie und nimmer; hier werden sie übersatt, dort nie gesättigt, sondern haben unaufhörlich neue Genüsse.
Und wovon werden denn jene Gassen gebildet? Es sind alles Bauten, welche die Menschen auf dieser Erde zur Ehre Gottes aufgeführt, gestiftet und gegründet haben. Wenn jedes gute Werk, das die Menschen im Stillen gewirkt, dort im Himmel öffentlich ausgestellt und mit Preisen gekrönt wird, wie viel mehr werden dort die großen Werke der Liebe und Gottesverehrung: Spitäler, Schulen, Gottes- und Krankenhäuser, Waisenanstalten, Klöster und Kirchen ausgestellt werden und den Heiligen, welche in solchen Gassen lustwandeln, zur Bewunderung dienen? Und an diesen Bauten, die dort wie Kristall glänzen werden, wird jeder Ziegel sichtbar sein, den du zur Ehre Gottes eingefügt, oder mit deinem Geld und Fleiße gestiftet hast.
Dort wird der hl. Benedikt seine zwölf Klöster wieder antreffen, die er in Subiaco und auf Monte Cassino erbaut. Der hl. Bernhard wird die 150 Klöster wiederfinden, welche er zu Lebzeiten gegründet. Der hl. Franz von Assisi wird seine armen Klösterlein in unendlichem Glanze in der Stadt Gottes wiedererkennen. Jeder Heilige wird dort aber auch das antreffen, was ihm nach seinem Tode von seinen Verehrern, Kindern und Freunden geweiht wird. Nun frage ich aber: Wem zur Ehre wurde seit dem Beginne der Kirche mehr geweiht, geopfert, geschenkt, gebaut, gestiftet und errichtet als Maria? Wem zu Ehren wurden mehr Kirchen, Klöster, Altäre, Missions- und Lehranstalten, Wallfahrts- und Zufluchtsorte gebaut als ihr? Wem mehr Bildstöcke, Statuen, Gemälde und Bilder verfertigt als ihr? Und dieses alles wird dort oben prangen und glänzen. Denken wir uns das alles, was von Anbeginn der Kirche zur Ehre Mariens getan worden ist und was man jetzt noch tut und was noch in Zukunft geschehen wird. Denken wir uns dieses in das himmlische Jerusalem versetzt. Wird dann nicht jede Gasse an Muttergottes-Monumenten überreich sein, sodass man jene Stadt Gottes auch mit Recht eine „Marien-Stadt“ heißen könnte?
Fragen wir endlich, wer jene sind, die in dieser Stadt Einlass erlangt haben und dort wohnen, so finden wir lauter Diener und Dienerinnen Mariens. Darunter sind auch Diener vom höchsten Range, von höchster Würde: Päpste, Fürsten, Kaiser, Gelehrte; ja es ist niemand in jene Stadt je eingelassen worden, der nicht ein Diener Mariens wäre. Der Himmel ist somit recht eigentlich die Stadt Mariens.
Ihr folgen die Scharen der Jungfrauen gleichsam als Schleppträgerinnen (adducentur virgines post eam), sowie alle Reichen des Landes, d. h. alle die sich mit schweren Verdiensten bereichert haben (omnes divites plebis); alle bewundern ihr holdes Antlitz (vultum ejus deprecabuntur). Diese unzähligen Bekenner und Martyrer mit den Jüngern und Aposteln, Patriarchen und Propheten bilden die große Zunft ihrer Hofdiener und Palastdamen und steigen, in Zünfte abgeteilt, hinauf zu dem „Goldenen Hause“ (illic ascenderunt tribus, tribus Domini).
Darunter sind alle Nationalitäten vertreten (omnes generationes). „Ecce“, heißt es, „alienigenae et Tyrus et populus Aethiopum: hi fuerunt illic“; d. h., auch die von fremden Weltteilen und anderen Himmelsrichtungen, darunter die Bewohner von Tyrus, also die weiße und braune Rasse, aber auch die Aethiopier, also auch die Schwarzen Afrikas. Diese sind alle dort unter den Mariendienern vertreten. Der Herr wird einmal aus dem Notizbuch der Völker und Fürsten die Zahl und die Namen derjenigen veröffentlichen, welche sich unter jenen Auserlesenen befinden („Dominus narrabit in scripturis populorum et principum: horum qui fuerunt in ea“). Mit einem Wort: Alle Heiligen wohnen bei dir, o Maria, (Sicut laetantium omnium habitatio est in te). O Maria, wie schön machst du den Himmel, wie groß muss er sein, bloß um das alles hineinstellen und dort ausstellen zu können, was dir zur Ehre Schönes und Großes erzeugt und hervorgebracht worden ist. Ja, wenn Maria nicht gewesen wäre, so wäre der Himmel mehr als halb leer. So ist aber alles voll von Maria, alles ist marianisch, die Stadt Gottes selbst ist zur Marienstadt geworden. Doch hören wir auf, weiter hiervon zu sprechen, da ja doch keine menschliche Zunge imstande ist, auszusprechen, was der Himmel ist.
Eine viel wichtigere Frage ist diese: Ob wir wohl in den Himmel hineinkommen werden? Als ich bei meiner ersten Anwesenheit in Rom den Vatikan besuchte, gelangte ich bei meinem Herumgehen an eine Pforte, vor der manche vornehme Herren und Damen umsonst von der wachehaltenden Schweizergarde um Einlass baten. Es war dies die Sixtinische Kapelle, und drinnen befand sich eine auserlesene Gesellschaft. Das ganze Kardinals-Kollegium mit Pius IX. wohnte nämlich einem Seelenamte bei, das für den letztverstorbenen Papst Gregor XVI. am Jahrestage gefeiert wurde. In solch eine Gesellschaft eintreten zu dürfen, hielt ich aber fast für den Himmel. Aber wie das durchsetzen? Was hatte ich Empfehlendes an oder bei mir? Keine Empfehlungspapiere, ja nicht einmal passende Kleider. Ich trug nur die Sutane eines ganz einfachen Weltpriesters. Zudem sah ich, wie so vornehme französische Damen mit den schönsten Empfehlungspapieren bei der Schweizergarde nichts ausrichteten. Und doch gelang es mir, aber ich ließ alle künstlichen und erzwungenen Redensarten und begann zu sprechen in ihrer (der Wächter) und meiner Landessprache. In diesem meinem Dialekte sagte ich zu ihnen: „A Landsma werdet ihr doch ini lo?“ (Aber einen Landsmann werdet ihr doch hinein lassen?). Das half. Die zwei wackeren Männer verstanden mich. Sie riefen ihren Hauptmann heraus, der innerhalb des Vorhanges stand und sagte ihm: „Da ist a Landsma.“ Ein Lächeln und ein Wink von ihm – und ich war schon drinnen – im Himmel.
Um in das himmlische Jerusalem, in diese Marienstadt einzudringen, genügt ein huldvolles Lächeln von Maria in der Stunde der Entscheidung, unseres Abscheidens aus diesem Leben. Aber wie wirst du diese große Frau, die Herrscherin des Himmels und Königin aller Heiligen, zu solch einem huldvollen Lächeln bringen? Das ist gar leicht; sobald sie dich als Landsmann oder als ihr Kind erkennt, hast du Gnade bei ihr erlangt. Und das erkennt Maria schon an der Sprache. „Aber nicht wer sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist“, sagt Christus. Und Maria antwortet: „Nicht wer sagt: Mutter, Mutter! geht in diese Stadt ein, sondern wer den Willen meines Sohnes tut, der im Himmel ist.“ Mit der Tat muss man es beweisen. Mit der Tat habe ich es den Schweizern bewiesen, dass ich ein Landsmann – also der Richtige bin. Bloß leere Worte: „Monsieur!“ – „Signore!“ – „Domine!“ hätten mir nichts geholfen. Solch eine Sprache, wie ich, konnte nur einer führen, der ein Richtiger ist.
Ähnlich wie jene französischen Damen vor dem Portale der Sixtinischen Kapelle im Jahre 1862 mit totem Papiere in der Hand, standen einst die törichten Jungfrauen vor dem prachtvoll verziertem Portale des Hochzeitssaales, worin sich eine so auserlesene Tischgesellschaft bei schimmerndem Lampenlichte freute. Mit verzweifelndem Händeringen riefen sie aus dem Dunkel der Nacht hinein: „Domine, aperi nobis!“ – „Herr, öffne uns!“ – Aber ihnen wurde eine kalte Antwort zuteil: „Nescio vos!“ „Ich kenne euch nicht!“ Eine schauderhafte Antwort, in neun lateinischen Buchstaben und nur mit zwei Wörtchen ausgedrückt. Schauderhafter Inhalt, schauderhafte Wirklichkeit!
Was ich vom Himmel, vom „himmlischen Jerusalem“, von dem „Goldenen Hause“, von der „Stadt Mariens“ gesagt, ist lauter Phantasie, und ein jeder kann sich den Himmel ausmalen wie er will. Man kann sich auch alle Genüsse dort hinein denken, nur keine sinnlichen, wie die Türken es sich vorstellen, aber das „Nescio vos!“, wird keine bloße Phantasie, sondern die nackte Wirklichkeit sein. Darum merken wir uns gut zwei Worte oder Überschriften. Die eine steht mit schimmernden Buchstaben auf dem Hause, das mitten in der Stadt Gottes steht. Der Geist Gottes schwebt darüber und die Überschrift lautet: „Goldenes Haus“. Die andere steht in flammenden Buchstaben vor den zwölf Toren der Stadt Gottes und lautet: „Nescio vos!“ Diese zwei Worte, einmal dir entgegengeschleudert, bringen dich in ewige Pein, in äußerste Finsternis. – Ein einziger Wink vom „Goldenen Haus“ bringt uns nahe an den Thron des Lammes, dass wir ihm „folgen, wohin es geht“.
Predigt von Abt Franz Pfanner am 1. Oktober 1888
Große Umgestaltung
Von Prior Franz
„St. Josephsblättchen”, 4. Jahrgang, 1. Oktober 1888, No. 7
„Et renovabis faciem terrae.“ „Und du wirst das Angesicht der Erde erneuern.“
Dieser Spruch hat sich in verschiedener Beziehung unter den Händen der Trappisten verwirklicht.
Erstens hat sich verändert das Stück Erde, welches eine Stunde von der Bahnstation Pinetown liegt und Zeekoegat hieß und Seekuhloch bedeutet, denn dieser Name wurde verwandelt in Mariannhill und zwar so radikal, dass es den alten Namen ganz verdrängt hat, so dass man ihn ganz vergessen und Mariannhill so die Oberhand bekommen hat, dass die Adresse: „Mariannhill in Südafrika“ hinreichend ist, die Trappisten zu finden. Aber nicht bloß der Name, sondern auch die wirkliche Gestalt dieses Erdstückes oder Landkomplexes ist verändert durch Straßen, Brücken, Dämme, durch Gärten, Felder, Bäume, durch Wohnungen, Institute, Ateliers, durch Werkstätten, Fabriken, Hütten, durch Magazine, Speicher, Baracken. Nicht minder haben sich die Leute auf diesem Lande verändert, innerlich und äußerlich, sie sind bedeckt am Leibe, umgewandelt in der Seele, aus Heiden Christen. Das sieht man an ihrem Gesichte, es ist nicht mehr wild, verstört, grinsend, sondern heiter, milde, freundlich, und so kann man buchstäblich sagen, dass sich das Angesicht dieser Erde weit um Mariannhill erneuert hat. Auch die Stimmen dieser Menschen haben sich verändert, die brüllenden und kreischenden sind jetzt in wohltönende und süße umgewandelt. Alles ist erneuert, die Handlungsweise, die Gespräche, der Gang, die Gebärden, das ganze Wesen. Ja, sogar ihre Häuser haben eine andere Gestalt angenommen, auch ihre Gärten und Äcker sehen anders aus als zuvor. Was will ich erst sagen von ihren Namen? Diese haben sich ganz geändert, und zwar nicht bloß, dass sie jetzt auch Taufnamen tragen, auch ihre Familiennamen haben die Christen aufgegeben und europäische angenommen. Diese Veränderung ist so auffallend, dass man unsere Christen vor allen protestantischen schon an den Namen erkennt; denn während protestantische Kaffern oder kaffrische Protestanten nur Namen vom Alten Bunde haben, z. B. Moses, Salomon, Elias … tragen unsere lauter vom Neuen Bunde auch von den allerneuesten Heiligen, also echt römisch-katholisch; und während die protestantischen Missionare ihren getauften Christen ihre kaffrischen Zunamen lassen, haben wir alle ausgetilgt und ihnen fast lauter deutsche, slawische, überhaupt von gebildeten Nationen gegeben.
Und wie die Bewohner ihre Namen gewechselt, so haben von unserem Boden alle Berge und Täler, alle Flüsse und Bäche, alle Weiler und Hügel, alle Felder und Wälder andere Namen bekommen, biblische, geographische, geschichtliche, vaterländische, auch launische, Ordens- und Heiligennamen. Kurz, das Angesicht der Erde von Mariannhill hat sich so erneuert, dass man nicht mehr meint, in Afrika, sondern mitten in Europa zu sein. Bei all dieser Umgestaltung tun wir nicht germanisieren, wir nehmen dem Volke nicht die Sprache und wollen sie zu einer Literatursprache erheben; wir zwingen sie nicht, unsere Sprache zu erlernen, sondern wir erlernen die ihrige, predigen, katechisieren, unterrichten kaffrisch, schreiben, drucken und parlamentieren kaffrisch, um allen, wie Paulus, alles zu werden, also echt katholisch zu handeln. Das Angesicht der Erde hat sich aber nicht bloß in und um Mariannhill erneuert und umgestaltet, sondern auf einer großen Strecke von Natal und darüber hinaus, und zwar in der Weise, dass man schon von den Namen die wohltätige Empfindung bekommt, es sei vieles da katholisch geworden. Steigt man in Pinetown ab, so gewahrt man unweit des Bahnhofes, dass da ein Neubau beginnen soll. Der Name ‚Loretto‘ sagt dem Fremden, dass das zu Erbauende etwas Katholisches geben soll. Reist jemand von Mariannhill einige 40 Meilen längs der Straße ins Innere des Landes, da stößt er plötzlich, wo früher ein Hotel Namens Rosebank war, auf ein „Einsiedeln“ in einem einsamen Tälchen. Reitet oder fährt er auf dieser Straße 28 Meilen weiter, so trifft er unerwartet an der Straße ein „Mariathal“ am Blitzberg. Erstaunt wird er jetzt fragen: Wie kommt es, dass ich jede Nacht in einem andern berühmten Wallfahrtsorte logieren kann? (Mariathal ist ein Wallfahrtsort in Baden.) Auf welche Seite der Wanderer von Mariathal sich wendet, nördlich, südlich oder westlich, kommt er in einer leichten Tagesreise wieder zu einem berühmten Wallfahrtsorte; südlich trifft er Ötting, nördlich Kevelaer und westlich etwa in 50 Meilen Entfernung, über Natal hinaus, Lourdes, die neueste Missionsstation auf dieser großen Besitzung in Griqualand. Geht der Reisende von Kevelaer noch einen Tagmarsch weiter gegen Norden bis an den Fuß der Drakensberge, so erreicht er das uralte „Reichenau“ von uralten Zeiten vom „Vater Rhein“ und vom „Schwäbischen Meere“ her ihm bekannt.
Ist das nicht eine auffallende Veränderung, statt der kaffrischen Namen Ixopo, Inhlokosi, Myembe, Polela, Ibisi, Ilovo lauter europäische katholische, klösterliche Wallfahrtsnamen! Es tut mir sehr leid, dass für den weltberühmten Namen Czenstochau (Wallfahrt russisch Polen) sich noch niemand als Stifter gemeldet hat, um so mehr, da uns schon ein Verehrer der Czenstochauer Muttergottes ein so schönes Bild zugesandt hat. In Griqualand sind noch mehrere Plätze, welche zu Missionsstationen auserwählt werden müssen. Ich Wünsche Ibisi Czenstochau zu heißen. Soll sich denn gar niemand herbeilassen, diesen weltbekannten Namen nach Afrika zu verpflanzen? Ich hoffe, dass auch dieser Name beitragen wird, das Angesicht der Erde zu erneuern.
Predigt von Abt Franz Pfanner am 1. Oktober 1888
Ein neues Rankweil
Von Prior Franz
„St. Josephsblättchen“, 4. Jahrgang, 1. Oktober 1888, No. 7
Hier zu Land ist es ein allgemeiner Brauch, dass die Ochsenfuhrwerke an keinem Hotel ankehren, sondern an der Straße ausspannen, um die Ochsen weiden zu lassen und zu tränken. Deshalb sind auch alle größeren Gutsbesitzer an der Straße verpflichtet und gesetzlich gehalten, einen Ausspann- und Weideplatz zu gewähren.
Nachdem die größeren Farmen zwischen Durban und Pinetown zerstückelt worden waren, verschwanden damit die Ausspannplätze. Wir mussten uns somit, wenn wir fernerhin mit unserem eigenen Ochsenzuge unsere Waren von Durban herbeischaffen wollten, einen eigenen Ausspannplatz kaufen, den wir aber bloß für uns benützen wollen, somit einzäunen.
Es gelang uns, einen solchen zu bekommen durch Hilfe eines protestantischen Deutschen, der uns sehr geneigt ist. Ohne diesen hätte er vielleicht dreimal mehr gekostet. Einige Tage früher forderte ein anderer £ 15 pro acre, wir bekamen aber diesen Platz für £ 1 und 6 Schilling (= 26 Mark statt 300 Mark). Dazu ist dieser Platz vortrefflich durch Weide und Holzreichtum; er bietet im Sommer dem Vieh Schatten, im Winter Schutz vor Wind. Er hat eine immer fließende Quelle fast an der Hauptstraße, und dazu ist er durchzogen von einem bedeutenden Flusse. Der Platz fasst in sich etwa 300 acres.
Dieser Ausspannplatz aber hat noch eine andere Bedeutung für uns. Es soll ein Missionsplatz werden für die dort dichtlebenden Kaffern, wovon manche protestantisch, d. h. lutherisch sind. Ohne dass wir es suchten oder daran dachten, sitzen wir mitten in New Germany drinnen.
Dieses New Germany (Neu-Deutschland) habe ich schon öfters erwähnt. So heißt der große Bezirk von Pinetown bis in die Gegend bei Durban, welcher vor ca. 40 Jahren von einer armen deutschen Fabriksbevölkerung eingenommen wurde und welche von Berlin aus ihre geistliche Seelsorge erhält. Diese Lutheraner hätten gewiss um keinen Preis es zugegeben, dass Trappisten im Herzen von New Germany sich festsetzen, wenn sie geahnt hätten, dass wir dieses Grundstück kaufen werden. Es soll also an dieser großen Heeres- und stark bevölkerten Ochsenstraße ein Missionskirchlein die Wanderer zur Rast einladen und ein Schulhaus die Fremden zum besseren Unterricht aufnehmen.
Im ganzen glaube ich, wir haben dem Teufel eines gespielt, es wird ihm nicht lieb sein, dass wir dort sitzen.
Ich gab dem Platz einen Namen, der für eine Missionsstation und für einen Ausspannplatz gleich gut passt, Rankweil nämlich. Rankweil ist der größte Wallfahrtsort in Vorarlberg, der Muttergottes geweiht. Ihr Name soll auch in Neu-Deutschland zu Ehren kommen. Rankweil passt aber auch gut zur Bezeichnung des Ausspannplatzes, weil da unsere Wagen ränken (einen Rank machen) und weil sie eine Weile dort bleiben (weilen). Den Grund und Boden will ich gerne selbst bezahlen, aber für das Missionskirchlein in diesem neuen Rankweil sollte mir doch irgendeine Seele eine Stiftung machen. Am angezeigtesten wäre es, wenn dieser Stifter ein Vorarlberger oder eine Vorarlbergerin wäre. Aber dazu, um solch einen Bettel zu wagen, müsste ich eigentlich ein Böhme oder Russe sein, denn es steht ja schon in der Bibel: Niemand ist Prophet im eigenen Vaterlande. Das Rankweil ist die achte Missionsstation, welche innerhalb zweier Jahre vom Mutterhause Mariannhill gegründet worden ist.
Die erste heißt Reichenau, die zweite Einsiedeln, die dritte Mariathal, die vierte Ötting, die fünfte Kevelaer, die sechste Loretto, die siebente Lourdes, die achte Rankweil. Man sieht, dass die letzten sieben Wallfahrtsnamen von Europa sind.
Dazu kommt die allerneueste Station: Czenstochau
Dieses ist die allerneueste Gründung, sie datiert erst von der letzten Woche, während Rankweil drei Wochen früher zustande kam. Czenstochau ist bekanntlich der größte und berühmteste Wallfahrtsort der Polen und liegt in Russisch-Polen. Ich lasse aber den Namen zur leichteren Aussprache für Engländer einfacher schreiben, nämlich Centocau oder Centocow, damit die englischen Postbeamten mir nicht die Füße abfluchen.
Mit diesem Namen belegte ich eine Farm am jenseitigen Ufer des Umzimkulu-Flusses, aber noch in Natal gelegen; diese Farm begreift in sich 770 acres, ist versehen mit gut gebauten Wohnungen und Wirtschaftsgebäuden, hat vortrefflichen Boden und eine exzellente Position zwischen lauter dicht angesiedelten Kaffern. Das wäre unsere neunte Missionsstation, sie liegt zwischen Reichenau, Kevelaer, Lourdes und Mariathal, von jeder etwa 25 – 40 Meilen.
Ich bin nun begierig, welcher Slawe der Stifter dieser Station sein werde. Schon haben wir ein herrliches Gemälde der Muttergottes von Czenstochau von einem eifrigen Verehrer derselben zugesandt bekommen.
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Maria hat auch ihren göttlichen Sohn zurechtgewiesen, aber in einem guten Ton (bei der Wiederauffindung im Tempel!). Man muss zeigen, dass man es gut meint; man muss klug sein, viel, viel. Wo und wie, das muss die Klugheit eingeben. So hat es Maria gemacht, sie müssen wir nachahmen.
Ein sicheres Mittel gegen alle Versuchungen haben wir an der Muttergottes unter dem Kreuz. Wenn wir zu ihr aufblicken, muss alle Bedrängnis von uns weichen. Und wenn wir zum sterbenden Heiland am Kreuze vertrauensvoll emporschauen, wird er uns mit seinem kostbaren Blute besprengen und uns stärken gegen alle Versuchungen.
Wer dieses Mittel unterlässt, ist selbst schuld, wenn er fällt.
Die Vorgesetzten müssen immer darauf bedacht sein, mit dem guten Beispiel voranzugehen. Immer wieder müssen sie ihre Untergebenen ermahnen, wenn sie auch glauben, es nütze das ganze Jahr hindurch nichts. Es ist nicht wahr. Jedes gute Beispiel und jede gute Ermahnung trägt ihre Frucht. Wie die weichen Wassertropfen immer auf eine Stelle fallen und zuletzt doch den harten Stein aushöhlen, so ist es auch im geistlichen Leben. Die geistliche Leitung ist schwer, es gehört viel Klugheit und Kraft dazu. Darum brauchen wir den Geist des Rates und der Stärke. Der hl. Bernhard und der hl. Dominikus wirkten gleichsam Wunder in der Seelenleitung; darum sollen alle Obern diese Heiligen besonders anrufen.