Vorbereitung auf das Osterfest

Vorbereitung auf das Osterfest

In Vorbereitung auf das Osterfest wird die Fastenzeit praktiziert. Ziel der Fastenzeit ist es, dem Lebens- und Leidensweg Christis zu gedenken und selbst Buße zu tun. Für 40 Tage soll der gläubige Christ für seine begangenen Sünden büßen, damit diese durch das Fest der österlichen Auferstehung vergeben werden können. Seit dem 5. Jahrhundert ist das Fasten schriftlich nachweisbar.

Die Fastenzeit beginnt am Aschermittwoch und endet am Karsamstag.  Das österliche Fasten ist dem 40-tägigem Fasten Christis in der Wüste nachempfunden und wird daher über die gleiche Zeitspanne praktiziert.

Als Zeichen der Buße und inneren Reinigung wird zur Vorbereitung auf das Osterfest 40 Tage zuvor gefastet. Zeitweise waren nur Wasser und Brot während der Fastenzeit erlaubt. Das christliche Fasten hat sich jedoch im Laufe der Zeit gelockert. Es wird auf tierische Nahrung, auf Milchprodukte sowie Genussmittel verzichtet. Seit dem apostolischen Erlass von Papst Paul VI aus dem Jahr 1966 ist das Fasten nur noch an den Tagen Aschermittwoch und Karfreitag streng zu praktizieren.

BOTSCHAFT DES HEILIGEN VATERS für die Fastenzeit 2023

Askese in der Fastenzeit, ein synodaler Weg

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas berichten übereinstimmend von der Begebenheit der Verklärung Jesu. In diesem Ereignis sehen wir die Antwort des Herrn auf das Unverständnis, das ihm seine Jünger entgegengebracht hatten. Kurz zuvor war es nämlich zu einer wirklichen Auseinandersetzung zwischen dem Meister und Simon Petrus gekommen, nachdem dieser sich zu Jesus als dem Christus, dem Sohn Gottes, bekannt hatte, dann aber seine Ankündigung von Leiden und Kreuz zurückgewiesen hatte. Jesus hatte ihn scharf getadelt: »Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen« (Mt 16,23). Und »sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg« (Mt 17,1).

Das Evangelium der Verklärung wird jedes Jahr am zweiten Fastensonntag verkündet. Tatsächlich nimmt uns der Herr in dieser liturgischen Zeit beiseite, damit wir mit ihm kommen. Auch wenn unsere gewöhnlichen Pflichten von uns verlangen, an den angestammten Orten zu bleiben und ein manchmal langweiliges Alltagsleben mit vielen Wiederholungen zu führen, sind wir in der Fastenzeit eingeladen, gemeinsam mit Jesus „auf einen hohen Berg zu steigen“, um mit dem heiligen Gottesvolk eine besondere Erfahrung von Askese zu machen.

Die Askese in der Fastenzeit ist ein – stets von der Gnade beseeltes – Bestreben, unseren Mangel an Glauben und unseren Widerstand gegen die Nachfolge Jesu auf dem Weg des Kreuzes zu überwinden. Genau das, was Petrus und die anderen Jünger nötig hatten. Um unsere Kenntnis des Meisters zu vertiefen, um das Geheimnis des göttlichen Heils, das sich in der vollkommenen Selbsthingabe aus Liebe verwirklicht, voll zu verstehen und anzunehmen, muss man sich von ihm beiseite und in die Höhe führen lassen und sich von Mittelmäßigkeit und Eitelkeit befreien. Man muss sich auf den Weg machen, einen ansteigenden Weg, der Anstrengung, Opfer und Konzentration erfordert, so wie bei einer Bergwanderung. Diese Voraussetzungen sind auch wichtig für den synodalen Weg, den zu beschreiten wir uns als Kirche vorgenommen haben. Es wird uns guttun, über diese Beziehung zwischen der Askese in der Fastenzeit und der synodalen Erfahrung nachzudenken.

Zu den „Exerzitien“ auf dem Berg Tabor nimmt Jesus drei Jünger mit, die erwählt wurden, um Zeugen eines einzigartigen Ereignisses zu sein. Er möchte, dass diese Erfahrung der Gnade nicht eine einsame, sondern eine gemeinsame ist, wie unser ganzes Glaubensleben. Jesus folgt man gemeinsam nach. Und gemeinsam, als pilgernde Kirche durch die Zeit, leben wir das Kirchenjahr und in ihm die Fastenzeit, indem wir gemeinsam mit denen gehen, die uns der Herr als Weggefährten zur Seite gestellt hat. In Analogie zum Aufstieg Jesu und der Jünger auf den Berg Tabor können wir sagen, dass unser Weg in der Fastenzeit „synodal“ ist, denn wir gehen ihn gemeinsam und auf demselben Weg, als Jünger des einzigen Meisters. Ja wir wissen, dass er selbst der Weg ist, und deshalb tut die Kirche sowohl im Vollzug der Liturgie wie auch der Synode nichts anderes, als immer tiefer und voller in das Geheimnis Christi, des Erlösers, einzutreten.

Und so kommen wir zum Höhepunkt. Das Evangelium berichtet, dass Jesus »vor ihnen verwandelt [wurde]; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht« (Mt 17,2). Das ist also der „Gipfel“, das Ziel des Weges. Am Ende des Aufstiegs, als sie mit Jesus auf dem hohen Berg stehen, wird den drei Jüngern die Gnade zuteil, ihn in seiner Herrlichkeit zu schauen, in einem übernatürlichen Licht, das nicht von außen kam, sondern von ihm selbst ausstrahlte. Die göttliche Schönheit dieses Anblicks war unvergleichlich größer als jede Anstrengung, die die Jünger beim Aufstieg auf den Tabor hätten unternehmen können. Wie bei jeder anstrengenden Bergwanderung muss man beim Aufstieg den Blick fest auf den Pfad gerichtet halten, doch das Panorama, das sich am Ende eröffnet, überrascht und entschädigt durch seine Pracht. Auch der synodale Prozess erscheint oft beschwerlich und manchmal könnten wir den Mut verlieren. Aber was uns am Ende erwartet, ist zweifellos etwas Wunderbares und Überraschendes, das uns helfen wird, Gottes Willen und unseren Auftrag im Dienst an seinem Reich besser zu verstehen.

Die Erfahrung der Jünger auf dem Berg Tabor wird noch weiter angereichert, als neben dem verklärten Jesus Mose und Elija erscheinen, die für das Gesetz beziehungsweise die Propheten stehen (vgl. Mt 17,3). Die Neuheit Christi ist die Erfüllung des alten Bundes und der Verheißungen; sie ist untrennbar mit der Geschichte Gottes mit seinem Volk verbunden und offenbart deren tiefe Bedeutung. Im analogen Sinn ist auch der synodale Weg in der Tradition der Kirche verwurzelt und gleichzeitig offen für das Neue. Die Tradition ist Quelle der Inspiration für die Suche nach neuen Wegen, wobei die gegensätzlichen Versuchungen der Unbeweglichkeit und des improvisierten Experimentierens vermieden werden müssen.

Der asketische Weg der Fastenzeit und in ähnlicher Weise der synodale Weg haben beide das Ziel einer Verklärung, sowohl auf der persönlichen als auch auf der kirchlichen Ebene. Einer Verwandlung, die in beiden Fällen ihr Vorbild in der Verklärung Jesu findet und durch die Gnade seines österlichen Geheimnisses bewirkt wird. Damit sich eine solche Verklärung in diesem Jahr in uns verwirklicht, möchte ich zwei „Pfade“ vorschlagen, die wir beschreiten können, um gemeinsam mit Jesus aufzusteigen und mit ihm das Ziel zu erreichen.

Der erste bezieht sich auf die Aufforderung, die Gottvater an die Jünger auf dem Tabor richtet, während sie den verklärten Jesus schauen. Die Stimme aus der Wolke sagt: »Auf ihn sollt ihr hören« (Mt 17,5). Der erste Hinweis ist also ganz klar: auf Jesus hören. Die Fastenzeit ist eine Zeit der Gnade in dem Maße, in dem wir auf ihn hören, der zu uns spricht. Und wie spricht er zu uns? Vor allem im Wort Gottes, das uns die Kirche in der Liturgie schenkt: Lassen wir es nicht ins Leere fallen; wenn wir nicht immer an der Messe teilnehmen können, so lasst uns doch Tag für Tag die biblischen Lesungen, auch mit Hilfe des Internets, lesen. Über die Heiligen Schriften hinaus spricht der Herr zu uns in unseren Brüdern und Schwestern, vor allem in den Gesichtern und Geschichten derer, die der Hilfe bedürfen. Aber ich möchte noch einen weiteren Aspekt hinzufügen, der im synodalen Prozess sehr wichtig ist: Das Hören auf Christus geschieht auch über das Hören auf unsere Brüder und Schwestern in der Kirche, jenes gegenseitige Zuhören, das in manchen Phasen das Hauptziel ist, das aber immer unverzichtbar bleibt in der Methode und im Stil einer synodalen Kirche.

Als sie die Stimme des Vaters hörten, warfen sich die Jünger »mit dem Gesicht zu Boden und fürchteten sich sehr. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und als sie aufblickten, sahen sie niemanden außer Jesus allein« (Mt 17,6-8). Hier ist der zweite Hinweis für diese Fastenzeit, der darin besteht, nicht Zuflucht in einer Religiosität zu suchen, die nur aus außergewöhnlichen Ereignissen, aus eindrucksvollen Erfahrungen besteht, weil man Angst hat, sich der Realität mit ihren täglichen Mühen, Nöten und Widersprüchen zu stellen. Das Licht, das Jesus den Jüngern zeigt, ist ein Vorgeschmack auf die österliche Herrlichkeit, und auf diese geht man zu, indem man „ihm allein“ folgt. Die Fastenzeit ist auf Ostern ausgerichtet: Die „Exerzitien“ sind kein Selbstzweck, sondern bereiten uns darauf vor, das Leiden und das Kreuz mit Glaube, Hoffnung und Liebe zu leben, um zur Auferstehung zu gelangen. Auch der synodale Weg darf uns keine falschen Hoffnungen machen, wir seien angekommen, wenn Gott uns die Gnade einiger starker Gemeinschaftserfahrungen schenkt. Auch dort sagt uns der Herr: »Steht auf und fürchtet euch nicht«. Lasst uns in die Ebene hinabsteigen, und möge die Gnade, die wir erfahren haben, uns dabei helfen, an der Synodalität im Alltagsleben unserer Gemeinschaften zu arbeiten.

Liebe Brüder und Schwestern, der Heilige Geist möge uns in dieser Fastenzeit bei Aufstieg mit Jesus beseelen, damit wir seinen göttlichen Glanz erfahren und – solchermaßen im Glauben gestärkt – unseren Weg gemeinsam mit ihm fortsetzen können, der der Ruhm seines Volkes und das Licht aller Völker ist.

Rom, St. Johannes im Lateran, 25. Januar 2023, Fest der Bekehrung des heiligen Apostels Paulus.

FRANZISKUS