Im „Hilfsnetzwerk für die Überlebenden der NS-Verfolgung in der Ukraine“ haben sich mittlerweile 47 Gedenkstätten, Museen, Vereine und Initiativen zusammengeschlossen. Dieses noch nie dagewesene Bündnis konnte in den letzten drei Monaten über 300 Menschen auf unterschiedliche Weise helfen. Dafür wurden bislang 62.000 Euro Spendengelder eingesetzt.
Zu den Hilfeempfängern gehören auch ehemalige sowjetische Kriegsgefangene. Die Rote Armee trug maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Wehrmacht am 8. Mai 1945 kapitulierte und der Zweite Weltkrieg in Europa endete. Über 5 Millionen Soldat*innen der sowjetischen Armee gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft und über die Hälfte von ihnen starb in Folge von Gewalt, Mangelernährung und fehlender medizinischer Versorgung in den deutschen Kriegsgefangenenlagern oder wurde durch Erschießungen unmittelbar nach Gefangennahme oder in Konzentrationslagern ermordet. Die Soldat*innen der Roten Armee stammten aus allen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion wie etwa auch der Ukraine. Die hochbetagten Überlebenden sind heute allesamt über 90 Jahre alt und in vielen Fällen bettlägerig oder auf besondere pflegerische Unterstützung angewiesen.
Hilfsnetzwerk engagiert sich für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine
Den Überlebenden, die durch den aktuellen Krieg in der Ukraine erneut bedroht sind, gilt unsere besondere Aufmerksamkeit. Das Hilfsnetzwerk sucht daher derzeit den direkten Kontakt zu den Überlebenden in der Ukraine in Form von Telefonanrufen aus Deutschland. So konnte beispielsweise mit einem ehemaligen Kriegsgefangenen und seiner über 70-jährigen Tochter gesprochen werden, die in einem Dorf im besetzten Gebiet Cherson leben. Für sie bedeutete der Anruf ein Funken Hoffnung, denn ihre Lebensmittelvorräte und Hygieneartikel sowie Medikamente waren größtenteils aufgebraucht. Dieser akuten Versorgungsnotlage wird durch Hilfspakete aus Kyiv begegnet, realisiert über Spenden durch das Hilfsnetzwerk und Partner*innen vor Ort. Svetlana Nejelscaia (stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbI) führt für das Hilfsnetzwerk unter anderem diese Telefonate und betont: „Die Hilfe wird jetzt so dringend benötigt wie nie. Wir brauchen weiterhin ein großes bürgerschaftliches Engagement und sind auf Spenden angewiesen, um die Unterstützung vor Ort auch über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten zu können.“
In Hinblick auf den 77. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom NS-Regime am 8. Mai 1945 wiederholen viele der Überlebenden ihre mahnenden Worte gegen Krieg mit besonderer Eindringlichkeit. Der ehemalige sowjetische Kriegsgefangene Lev Frankfurt brachte dies bereits vor einigen Jahren bei einer Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne auf den Punkt: „Der Friede ist kostbar. Das Leben ist kostbar. Die Freiheit ist kostbar. Sie sind die Basis unserer Würde als Menschen. Gerade in schwierigen Zeiten gilt es, diese Einsicht zu schützen und zu bewahren.“